Börsen-Zeitung: Schwarm schwarzer Schwäne, Marktkommentar von Stefan Schaaf
Geschrieben am 17-10-2014 |
Frankfurt (ots) - Als Anleger muss man schon spekulativ auf
steigende Kurse bei Bundesanleihen gewettet, aggressiv auf einen
fallenden Dax oder steigende Volatilität gesetzt haben, um der
abgelaufenen Handelswoche etwas Positives abgewinnen zu können.
Sicher, Performance ist immer eine Frage der Positionierung, aber
klar ist auch: Die Finanzmärkte sind innerhalb weniger Tage wieder in
den Krisenmodus gerutscht. Scheinbar augenfällig ist dies am
kräftigen Anstieg der Volatilität abzulesen. Richtig ist,
Vola-Indizes wie Vix und VDax-New sind in die Höhe geschossen, dies
aber auch von einem sehr niedrigen Ausgangsniveau, so dass sie sich
eben auch normalisierten. Andere Indikatoren sprechen eine
deutlichere Sprache: Der regelrechte Absturz der Renditen von als
sicher - und liquide - erachteten Staatsanleihen aus Deutschland und
den USA zeigt ein hohes Maß an Verunsicherung unter Investoren.
Flucht aus Aktien
Zudem gab es massive Umschichtungen aus Aktien heraus. Die
Abflüsse aus europäischen Aktienfonds erreichten dieser Tage laut
Bank of America Merrill Lynch einen Rekordwert von 5,7 Mrd. Dollar.
Das Dax-Wochentief von 8355 Punkten lag 17% unter dem Jahreshoch von
Juni. Was für ein Crash!
Was war passiert? Der jüngste Kursrutsch ging einher mit schwachen
US-Einzelhandelsdaten. Inzwischen gelten diese aber nur als der
berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Denn die Krise
deutete sich an, unter anderem durch einen Sprung der Volatilität am
Devisenmarkt und starken Kursverlusten bei den risikosensitiven
Hochzinsanleihen.
Ein Gewitter mit Ansage? Keinesfalls. Der Weg zur US-Zinswende
würde volatil werden, nicht alle Konjunkturdaten würden für steigende
Zinsen sprechen. Das war zu erwarten. Viele Marktteilnehmer hatten
allerdings eine Reihe weiterer Risiken nicht auf dem Zettel bzw.
wurden von deren unerwartetem Auftreten überrascht. In der Summe
führte dieser Schwarm an schwarzen Schwänen zum jüngsten Absturz:
Erstens: Geopolitik. Die Vielzahl an Krisen - unter anderem Ukraine,
IS-Terror, Hongkong - verunsichert.
Zweitens: Deutschland selbst gilt einer wachsenden Zahl an
Marktteilnehmern inzwischen als Problem, und das nicht nur wegen der
engen wirtschaftlichen Verflechtung mit Russland. Es überrascht viele
nicht nur, dass die bisherige europäische Konjunkturlokomotive eine
Störung im Betriebsablauf hat. Für Irritationen sorgt vor allem der
Gleichmut, mit dem die Regierenden in Berlin dies bislang zu
beobachten scheinen.
Drittens: Euro-Krise 2.0. Nüchtern betrachtet ist es so weit noch
nicht, zumal die Europäische Zentralbank, um mit den Worten ihres
Präsidenten zu sprechen, bisher alles tut, was für den Erhalt des
Euro notwendig ist. Wenn jedoch Analysten und Brokerhäuser in ihren
Marktkommentaren von der Euro-Krise 2.0 schreiben, so kann sich diese
Prophezeiung von selbst erfüllen.
Viertens. Griechenland. Ja, Griechenland, wieder einmal. Und das
gleich doppelt. Die Regierung in Athen betrieb ein Hasardeurspiel mit
den Gedanken über einen Ausstieg aus dem Rettungsprogramm.
Zehnjahres-Anleiherenditen von 9% waren die Antwort. Doch nicht
genug, das Land steht jederzeit vor Neuwahlen, die reform- und
sparfeindliche Kräfte an die Regierung bringen und das Land aus dem
Euro treiben dürften. Fünftens: Ebola. Bei jedem Einzelnen wächst die
Angst vor einer Ansteckung. Wer in Panik gerät, wird kaum
risikofreudig investieren.
Illiquider Sekundärmarkt
Sechstens: Liquidität: Sicher, die Notenbanken stellen genug
Liquidität zur Verfügung. Im Anleihe-Sekundärmarkt sieht es jedoch
anders aus. Der Absturz der Treasury-Renditen ging offenbar auch auf
eine geringe Liquidität am Sekundärmarkt zurück. Investmentbanken
haben wegen strengerer Regulierung ihre Handelsbestände gesenkt. Wenn
dies schon bei sinkenden Renditen zum Problem wird, dann lässt dies
für einen Renditeanstieg im Fall einer US-Zinswende Schlimmes
erwarten.
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Telefon: 069--2732-0
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