Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Reinhard Zweigler zur Debatte um den Solidaritätszuschlag
Geschrieben am 04-03-2015 |
Regensburg (ots) - Die Risse im Gebälk des schwarz-roten
Regierungsgebäudes werden immer größer. Und dabei müssen es die
Merkel, Gabriel und Co. noch zweieinhalb Jahre miteinander aushalten.
Die jüngsten Vorstöße von CDU-Finanzminister Wolfgang Schäuble zur
Abschaffung des Soli ab 2020 sowie die mickrige Erhöhung des
Kindergeldes um sechs Euro - mit beidem stößt er die SPD vor den Kopf
- illustrieren nur den Zwist der Koalitionäre in wichtigen Fragen.
Union und SPD raufen sich offenbar immer weiter auseinander.
Der seit 1991 mit Unterbrechung erhobene Solidaritätszuschlag
wurde einst unter Finanzminister Theo Waigel eingeführt, um die
Kosten des Aufbaus der neuen Ländern halbwegs gerecht auf alle Bürger
im wiedervereinten Vaterland zu verteilen. Er wird seitdem von den
Steuerbürgern von Rostock bis Regensburg ans Finanzamt abgeführt, ob
die wollen oder nicht. Und in der Tat war dieses Geld segensreich für
den Aufbau einer maroden Infrastruktur, verfallender Städte und
Dörfer in Neufünfland.
Freilich hat sich die Aufbau-Abgabe längst vom eigentlichen Zweck
abgekoppelt. Gerade mal noch ein knappes Drittel der Soli-Einnahmen
fließt wirklich noch gen Osten. Der Rest von zuletzt rund 15
Milliarden Euro pro Jahr füllt die Kassen des Bundes. Schäubles mit
viel Verve verteidigte "schwarze Null" hat er auch seinem
unerbittlichen Festhalten am Soli zu verdanken. Der Soli ist
obendrein eine reine Bundeseinnahme. Die Länder haben da nichts zu
sagen.
Länder waren einverstanden
Interessant ist nur, dass Schäuble noch vor kurzem vorgeschlagen
hatte, den Soli in die Einkommenssteuer zu überführen. Damit waren
die Länder sofort einverstanden, weil sie dann auch etwas von der
kräftig sprudelnden Einnahmequelle abbekommen hätten. Die reichen
Länder mehr, die armen weniger. Dass Schäuble nun jedoch von seinen
ursprünglichen Plänen zur Überführung des Soli ablässt, hat vor allem
zwei Gründe: Der erste ist, dass es Angela Merkel und Horst Seehofer
gedämmert hat, dass eine höhere Einkommenssteuer just gegen das
Unionsversprechen "keinerlei Steuererhöhungen" verstoßen würde.
Zweitens droht dem Soli spätestens ab dem Jahr 2019, in dem der
Solidarpakt mit den neuen Ländern ausläuft, Ärger von den
Verfassungsrichtern aus Karlsruhe. Beides im Hinterkopf schlägt
Schäuble nun allen Ernstes vor, den ungeliebten Zuschlag ab dem Jahr
2020 stufenweise bis zum Jahr 2030 abzuschaffen. Schäuble veralbert
das Publikum Schon wenn es um Prognosen für die Einnahmen des Staates
für das laufende Jahr geht, setzt das große Herumgeeiere ein. Und was
in drei Jahren sein wird, kann ohnehin niemand verlässlich
vorhersagen. Schäuble, der 2020 vermutlich nicht mehr
Bundeskassenwart sein wird, verschiebt die Soli-Abschaffung also ins
Ungefähre. Man könnte auch sagen, er veralbert in dieser Frage das
Publikum. Ganz und gar nicht albern ist dagegen die von ihm geplante
Heraufsetzung des Kindergeldes, das seit 2010 nicht verändert wurde,
um sechs Euro. Auch dazu wurde der Minister der schwarzen Null eher
gedrängt. Der Existenzminimumsbericht verlangt eine Anhebung des
Kinderfreibetrages. Weil davon aber gut verdienende Eltern prozentual
mehr profitieren, ist auch ein höheres Kindergeld geboten.
Vorgeschrieben ist dies freilich nicht. Dass sich die
SPD-Familienministerin Manuela Schwesig, die eigentlich eine
Verbesserung für Alleinerziehende und Geringverdiener herausholen
wollte, düpiert fühlen muss, nimmt Schäuble in Kauf. In der Union hat
sich ohnehin allerhand Frust über die mitregierende SPD, Schwesig mit
ihrer Frauenquote vor allem, aufgestaut. Ein bisschen davon lässt
Schäuble nun ab.
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