Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: Eklat um Hermann-Äußerung
Reichlich überdimensioniert
Ralf Müller, München
Geschrieben am 01-09-2015 |
Bielefeld (ots) - Es war sicher kein guter Einfall von Bayerns
Innenminister Joachim Herrmann (CSU), in der TV-Sendung "Hart, aber
fair" den (CSU-freundlichen) Entertainer Robert Blanco unprovoziert
und ungefragt als "wunderbaren Neger" zu bezeichnen. "Neger" ist nun
mal spätestens seit Umbenennung des "Negerkusses" in "Schokokuss" ein
rassistisches Schimpfwort. Die Erklärung Herrmanns, er habe damit auf
eine Einspielung reagiert, konnte das Kind nicht mehr aus dem Brunnen
holen. Zu einem ernsten Vorgang werden verbale Entgleisungen jedoch
erst, wenn dahinter mit einiger Berechtigung eine entsprechende
Einstellung des Entgleisenden zu vermuten ist. Das aber ist im Falle
des bayerischen Innenministers nun wirklich nicht der Fall. Auch aus
privaten Gesprächen ist keine Äußerung Herrmanns bekannt, die auf
Rassismus oder Ausländerdiskriminierung hindeuten würde. Herrmann ist
zwar der Klartext redende "schwarze Sheriff" der CSU, aber kein
rechter Sprücheklopfer. Die Entrüstungsmaschinerie, die inzwischen
wegen des "wunderbaren Negers" anlief, ist daher um einiges
überdimensioniert. Wenn man schon einen solchen Ausrutscher als
"ungeheuerlich" verurteilt oder gar - wie die bayerischen Jusos -
gleich den Rücktritt Herrmanns fordert, zu welchem
Empörungsinstrumentarium will man greifen, wenn sich ein
verantwortlicher Politiker ernsthaft in rassistisches Gedankengut
verheddert? Sensibilität ist angebracht, aber nicht Hysterie. Wenn
jeder Sturm im Wasserglas der politischen Überkorrektheit zur Staats-
oder Demokratiekrise hochgejubelt wird, dann ist das für das
politische Klima auch nicht förderlich, ja kann sogar das Gegenteil
des Beabsichtigten bewirken. Wenn vor lauter Furcht, etwas Falsches
zu sagen, nur noch weichgespültes Wortgestammel abgesondert wird, ist
das nicht im Sinne einer offenen politischen Auseinandersetzung. Der
Vorgang hat gezeigt: Auch erfahrene Politiker wie der bayerische
Innenminister sind vor Glatteisunfällen keineswegs gefeit. Herrmann
hat die Lektion sicherlich gelernt. Nun sollten wir uns wieder mit
den wirklichen Problemen befassen. Davon soll es ja auch noch einige
geben.
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