Börsen-Zeitung: Begrenzte Freizügigkeit,
Kommentar zum EuGH-Urteil zur Sozialhilfe von Stephan Lorz
Geschrieben am 15-09-2015 |
Frankfurt (ots) - Es kommt eher selten vor, dass ein Urteil des
Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom Plädoyer des Generalanwalts
abweicht. Im Falle der diesmal untersuchten Frage, ob ein Land
arbeitssuchenden EU-Bürgern die Sozialhilfe verweigern darf, war es
aber so. Die Richter entschieden, dass ein Staat durchaus das Recht
hat, seine Sozialsysteme vor Überlastung zu schützen und eine
"unangemessene Inanspruchnahme" zu verhindern.
In vielen Amtsstuben dürfte ein Seufzer der Erleichterung durch
die Reihen gegangen sein. Nicht nur wegen der finanziellen Lasten,
die eine Lösung nach Façon des Generalanwalts Melchior Wathelet
gebracht hätte, sondern auch wegen des damit verbundenen erheblichen
Mehraufwands. Wathelet hatte nämlich eine Einzelfallprüfung gefordert
und im Grunde ein Anrecht auf Sozialhilfe für EU-Bürger schon dann in
Betracht gezogen, wenn deren Kinder in die Schule gehen. Ab und bis
zu einem gewissen Alter der Kinder wäre das also für alle der Fall.
Gemessen daran haben sich die Luxemburger Richter überaus
zurückhaltend gezeigt, zumal sie in der Vergangenheit oft gerade in
die andere Richtung galoppiert sind und europäische Rechtsansprüche
auch auf Sektoren ausgedehnt haben, die davon eigentlich explizit
ausgenommen sind.
Aber auch dieses Urteil kann das Spannungsverhältnis zwischen
gemeinschaftlichen und nationalen Sozialansprüchen natürlich nicht
auflösen. Wie weit geht die finanzielle Solidarität in einem Europa,
wo die Arbeitnehmer Freizügigkeit genießen, das hohe Schutzniveau
etwa des deutschen Sozialsystems aber nur regional begrenzt
aufrechterhalten werden kann?
Natürlich üben hohe Sozialhilfestandards eine gewisse
Magnetwirkung aus. Es wäre aber falsch, die Anziehungskraft nun durch
eine Abschreckungspolitik konterkarieren zu wollen. Denn die
Magnetwirkung hat auch ihr Gutes, wie die Öffnung der
EU-Arbeitsmärkte 2011 gezeigt hat. Damals wurden Hiobsbotschaften
verbreitet von der Überlastung des deutschen Arbeitsmarkts und der
Sozialsysteme. Die haben sich nicht bewahrheitet. Vielmehr hat
Deutschland vom Zuzug profitiert.
Gerade angesichts der demografischen Entwicklung wäre sogar eine
gesteuerte Einwanderungspolitik geboten. Das Urteil gibt hier nun das
nötige Instrumentarium an die Hand, die Pflichten aus der
Freizügigkeit von einer Einwanderungspolitik klar zu trennen. Wenn
vor diesem Hintergrund Menschen weiter gerne nach Deutschland kommen
wollen, umso besser. Andersherum wäre es schlimmer.
Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion
Telefon: 069--2732-0
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