Allg. Zeitung Mainz: Steinzeit / Kommentar von Reinhard Breidenbach zu Afghanistan
Geschrieben am 29-09-2015 |
Mainz (ots) - Man muss immer wieder den Satz des früheren, leider
früh verstorbenen SPD-Verteidigungsministers Peter Struck in
Erinnerung rufen: Deutschland wird auch am Hindukusch verteidigt.
Oder eben nicht. Diese Prophezeiung beweist ihren Wahrheitsgehalt
nunmehr in bitterer Weise. Die Taliban haben Kundus eingenommen, und
der Tonfall, in dem der Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums
die Lage umschreibt, ist ebenso erschütternd wie klar: Es gehe darum
zu verstehen, "wie die afghanische Armee gedenkt, die Hoheit über die
Stadt zurückzugewinnen". Heißt auf gut Deutsch: Mit der afghanischen
Armee ist, im wahrsten Sinn des Wortes, kein Staat zu machen. Das
Afghanistan-Mandat der Bundeswehr war in der deutschen Öffentlichkeit
von Anfang an schlechtgeredet, von vielen Medien auch
heruntergeschrieben worden. Wohl wahr: 55 tote deutsche Soldaten, der
Blutzoll war hoch. Die Familien verdienen jedes Mitgefühl. Aber wer
die Augen nicht verschloss, erkannte die Gefahr, die nach einem Abzug
der internationalen Truppen drohte: die Rückkehr der Taliban, das
Ende von Menschenrechten, der Rücksturz Afghanistans in eine gefühlte
Steinzeit. Nicht zuletzt mit der Folge, dass dann mehr Menschen aus
Afghanistan fliehen würden. Weil die internationale
Staatengemeinschaft mit - notwendigen - Militäreinsätzen rund um den
Globus an ihre Belastungsgrenzen stößt, ist eine Szenerie wie in
Afghanistan kaum oder nur unter allergrößten Mühen halbwegs
beherrschbar. Todsicher überhaupt keine Lösung ist es aber, den Kopf
in den Sand zu stecken nach dem Motto "wir spielen sicheres
Afghanistan". Nun wird der Militäreinsatz verlängert. Ein wenig.
Zumindest ein Beitrag zur Ehrlichkeit.
Pressekontakt:
Allgemeine Zeitung Mainz
Alexandra Maus
Newsmanagerin
Telefon: 06131/485851
amaus@vrm.de
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