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Mittelbayerische Zeitung: Sklaven sind unter uns - Das Schicksal von Millionen Ausgebeuteten hängt mit unserer Lust an billigen Waren zusammen. Von Christine Strasser

Geschrieben am 20-12-2015

Regensburg (ots) - Sklaverei hat viele Gesichter - nicht nur das
der Antike oder der Baumwollfelder Amerikas, wo die Sklaverei vor 150
Jahren offiziell abgeschafft wurde. Weltweit leben heute knapp 36
Millionen Menschen unter sklavenähnlichen Bedingungen, schätzen
Menschenrechtler. Ihre Ausbeutung und unsere Lust an möglichst
preiswerten und billigen Waren und Dienstleistungen hängen
unmittelbar miteinander zusammen. Gerade in den Tagen vor
Weihnachten, wenn die Geschäfte hierzulande rappelvoll sind und
massenweise Waren über den Ladentisch gehen, die zum Teil unter
furchtbaren Bedingungen produziert wurden, ist es geboten, sich das
bewusst zu machen. Sklave zu sein, bedeutet rechtlos zu sein. Moderne
Sklaven schuften in Minen, auf Baustellen oder Feldern, pflegen
Senioren und Kranke, schlachten Tiere, putzen Wohnungen oder bieten
sich auf dem Strich an. Sie werden gefangen gehalten, der Macht über
ihr Leben beraubt und ausgebeutet. Auch in westlichen
Industriestaaten arbeiten Menschen wie Leibeigene: in der
Sexindustrie als Zwangsprostituierte, in Fabriken und als Bedienstete
in Privathaushalten. Kevin Bales, Professor an der britischen
University of Hull und einer der führenden Experten für Sklaverei,
wird nicht müde das zu betonen. Bales ist Mitglied der Walk Free
Foundation, die gegen Sklaverei kämpft, und Hauptautor des Global
Slavery Index, ein Bericht der seit drei Jahren veröffentlicht wird
und Statistik führt über die Ausbeutung von Sklaven in den einzelnen
Ländern. Auch in Deutschland leben den Experten zufolge Sklaven. 10
500 Menschen müssen demnach hierzulande unter Bedingungen leben und
arbeiten, bei denen ihre Grundrechte missachtet werden. Angekettet
sind diese modernen Sklaven nicht unbedingt physischer Art. Schulden,
Einschüchterung, Betrug, Isolation, Angst oder eine erzwungene Heirat
werden dazu benutzt, um Menschen gegen ihren Willen festzuhalten.
Bestürzung über das Leid der Menschen ist das eine. Was aber kann man
dagegen tun? Welche Möglichkeiten gibt es, um gegen die moderne
Sklaverei anzugehen, sie vielleicht eines Tages sogar zu überwinden?
Es beginnt mit Hinsehen. Aktuellen Zahlen zufolge nimmt moderne
Sklaverei wieder zu. Tausende Menschen aus Bangladesch, Indien und
Pakistan werden auf Baustellen in arabischen Staaten, wie etwa Katar,
versklavt. In Usbekistan läuft ein Großteil der Baumwollproduktion
auf dem Rücken von Sklaven, darunter viele Kinder, ab. In
Großbritannien wurden Sklaven befreit, die für 200 Pfund an Farmen,
Fabriken oder Bordelle verkauft wurden. Eine "Schande für
Deutschland" nannte Vizekanzler Sigmar Gabriel Zustände in deutschen
Fleischfabriken, in denen osteuropäische Arbeiter schlachten und
zerlegen - per Werkvertrag. Sie werden offen ausgebeutet: bei
Arbeitszeiten von zwölf bis 16 Stunden, kaum Pausen, verspätet
gezahltem Lohn, von dem ein großer Teil zudem für Fahrten zum Betrieb
und die Miete für Zimmer oder oft auch nur notdürftig umgebaute
Ställe, in denen sich zwei Männer ein Bett teilen müssen, einbehalten
wird. Der zweite Schritt ist das Handeln. Lücken in der Gesetzgebung
müssen geschlossen werden und geltende Vorschriften eingehalten
werden. Im Zweifelsfall muss es mehr Kontrollen geben. Wer einkauft,
kann versuchen auf fair gehandelte Produkte zu achten. Von der Idee,
in Geldnot geratene Menschen freizukaufen, sind Experten wie
Professor Bales nicht begeistert. Das würde Sklavenhalter in ihrem
Geschäft bestätigen. Was langfristig wirksam ist: Armut bekämpfen,
Menschen Bildung geben und Rechtsstaatlichkeit durchsetzen, damit
Täter bestraft werden.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


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