Schwäbische Zeitung: Sehr deutsche Veranstaltung - Leitartikel zum Katholikentag
Geschrieben am 27-05-2016 |
Ravensburg (ots) - Gut 30000 der 23,9 Millionen deutschen
Katholiken haben sich auf den Weg nach Leipzig gemacht, um den
Katholikentag des Jahres 2016 mitzufeiern. Maliziöse Anmerkung: 30000
Besucher kann mitunter auch ein Fußballverein der 2.Bundesliga bei
seinen Heimspielen vorweisen. Die Vorbereitungen für das
"Großereignis" haben Monate gedauert, es ist viel Geld in die Hand
genommen worden. Der Papst hat extra zur 100. Auflage eine
Grußbotschaft übermittelt, der Bundespräsident, der Vizekanzler,
viele Bundesminister und zahlreiche Prominente von innerhalb und
außerhalb der katholischen Kirche sind gekommen. Warum? Wozu?
Um ein "Fest des Glaubens" mitzufeiern? Eher nicht. Wie das
evangelische Pendant Kirchentag hat sich der Katholikentag zu einem
Ereignis entwickelt, das sehr, sehr deutsch daherkommt. Allein die
Zahl von mehr als 1000 Veranstaltungen an fünf Tagen deutet an:
Geboten wird ein Pan-optikum, ein Mix aus all den Themen, die
politisch, gesellschaftlich, kulturell, religiös gerade Konjunktur
haben könnten. In diesem Jahr dominiert die Flüchtlingsfrage, der
Umgang mit den Fremden, in denen gläubige Christen ihre Nächsten
sehen sollten. Das ist löblich, aber gibt es dazu nicht genügend
deutliche Bischofsworte?
Spiritualität, gelebter Glaube, Frömmigkeit mögen bei dem Treffen
ebenfalls eine Rolle spielen, aber sicher nicht die Hauptrolle. Dass
die Katholikentage zu den offiziösen Veranstaltungen geworden sind,
die sie sind, hat sehr viel mit dem Veranstalter zu tun. Das
"Zentralkomitee der deutschen Katholiken" (ZdK) ist halt auch eine
deutsche Spezialität - mit dem Hang, bisweilen päpstlicher als der
Papst zu sein. Das Laiengremium tagt vor sich hin und befindet und
bewertet und fordert dies und jenes in seit Jahren geübter Manier -
während die Kirchen hierzulande immer leerer werden. Ob vom
Katholikentag Impulse gegen diesen Trend ausgehen, darf bezweifelt
werden. Das letzte echte Glaubensfest in Deutschland war der Kölner
Weltjugendtag mit einer Million Besuchern. Rom hatte geladen.
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