Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar:
Verhältnis zur Türkei
Wegducken geht nicht mehr
Sigrun Müller-Gerbes
Geschrieben am 17-08-2016 |
Bielefeld (ots) - Nun haben wir es schriftlich: Die
Bundesregierung hält einen NATO-Partner und einen der wichtigsten
Verbündeten in der Flüchtlingspolitik für einen Wegbereiter des
Terrors, für eine "zentrale Aktionsplattform" für Islamisten im Nahen
Osten. Ein Eingeständnis, das Konsequenzen haben muss. Dabei ist das
eigentlich Überraschende der im Innenministerium gefertigten Analyse
über die Türkei nicht das Verdikt an sich: Dass Ankara die Hamas
fördert - deren Hauptquartier immerhin in Istanbul ist; dass
bewaffnete Islamistengruppen in Syrien mit türkischem Wohlwollen
rechnen können, sofern sie gegen Assad agieren; dass die türkische
Regierungspartei AKP und die Muslimbrüder in Ägypten sich ideologisch
nahe stehen - all das sind nicht wirklich Neuigkeiten. Neu ist
hingegen, dass die Bundesregierung nun nicht mehr so tun kann, als
seien ihr all diese Dinge nicht bekannt. In der Vergangenheit hielt
man sich in Berlin an die Devise: nichts hören, nichts sehen - und
vor allem nicht darüber reden. Zu groß war die Sorge, man könne die
türkische Regierung, die ohnehin seit Monaten im Dauerzustand der
ehrverletzten Diva agiert, endgültig vergrätzen. Und damit den
Flüchtlingsdeal aufs Spiel setzen, den man hierzulande so dringend
braucht, um in der Vorwahlzeit Ruhe in die aufgebrachte
innenpolitische Debatte über die Zuwanderung zu bringen. Wie
verdruckst man mit den brisanten Informationen noch immer umzugehen
versucht, zeigt die Tatsache, dass die Antwort auf eine
parlamentarische Anfrage als "vertraulich" eingestuft wurde -
offenbar in der naiven Hoffnung, sie könnte wieder in der Schublade
verschwinden. So wichtig es ist, mit der Türkei im Gespräch zu
bleiben, so wichtig wäre eine endlich klare Haltung gegenüber der
türkischen Regierung und Staatschef Recep Tayyip Erdogan, dessen
Allmachtsanspruch in den vergangenen Wochen so erschreckend deutlich
zutage getreten ist. Wie bescheiden die Hoffnung auf klare Worte ist,
zeigt allerdings die Tatsache, dass sich das Außenministerium - nicht
am Entstehen des internen Papiers beteiligt - bereits distanziert
hat. Aber das Papier ist in der Welt. Verschweigen und stillhalten
geht nicht mehr.
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