Mittelbayerische Zeitung: Kampf ohne Waffen? Die Idee der freien Welt ist in Gefahr. Wer für sie kämpft, braucht Haltung und Überzeugungskraft. Von Manfred Sauerer
Geschrieben am 23-12-2016 |
Regensburg (ots) - Muss man die Freiheit ein gutes Stück abgeben,
um sie letztlich zu erhalten? Das fragen sich die Menschen in
Deutschland am Ende eines bedrückenden Jahres. Wenn Politiker oder
Kirchenvertreter davor warnen, dem Terror nicht in die Falle zu
gehen, ist das zwar ehrenwert. Aber schaffen wir das überhaupt? Wie
sollen wir Frieden, Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und
Nächstenliebe verteidigen, wenn wir ohne Waffen sind? Und unsere
Geschlossenheit hat längst Risse. Wir installieren Videokameras, wir
führen wieder Grenzkontrollen ein, wir sammeln wie wild Daten auf
Vorrat, bis es uns der Europäische Gerichtshof eventuell untersagt.
Wir stellen Flüchtlinge unter Generalverdacht. Helfen wird dies alles
nicht. Wir müssen erkennen, dass wir uns nur verteidigen können,
indem wir Haltung zeigen und unsere tiefe Überzeugung demonstrieren
von einer freien Welt, die dem Individuum ein größtmögliches Recht
zur Selbstbestimmung zubilligt. Dies gilt gegenüber der Aggression
von außen durch den Terror, aber auch gegenüber den Angriffen "von
innen" durch diejenigen, die aus Unsicherheit Unmenschlichkeit und
aus latentem Ärger Hass machen. Es gibt durchaus viele, die auch im
wohlhabenden Deutschland einen Rückschlag in ihrer Biografie erlitten
haben, die ungerecht behandelt wurden und sich zurückgesetzt fühlen.
Ihnen springen Gleichgesinnte und Populisten bei, bestärken sie in
ihrer Meinung. Und wer in den sogenannten sozialen Netzwerken
unterwegs ist, kann sich jede noch so abstruse oder gehässige Meinung
vielfach bestätigen lassen. Das besorgen jetzt immer häufiger nicht
einmal Menschen, sondern Maschinen. Es bleibt uns also nur der feste
Glaube an das freie und friedliche Zusammenleben. Und wenn wir das
bewahren, wenn wir den Respekt Andersdenkender für uns reklamieren,
gar die Aussichtslosigkeit eines noch so vehementen Angriffs auf
diese Werte deutlich machen wollen, müssen wir Zeugnis ablegen für
unsere Überzeugung. Dieser altmodische Begriff, meist im Zusammenhang
mit dem religiösen Glauben gebraucht, meint ja, dass man seine
Überzeugung nicht still für sich behält, sondern sich öffentlich und
deutlich vernehmbar dazu bekennt. Dies aber eben nicht schrill und
manipulativ, sondern sympathisch und verbindlich, in einer Art also,
die anderen hilft und sie bestärkt. Der Ansatz einer friedlichen
Gesellschaft mit möglicher Wohlstandsteilhabe für jeden Einzelnen lag
ja auch der Idee des vereinten Europas zugrunde. Wir waren auf einem
guten Weg, aber nationale Egoismen, Fremdenangst und Desinformation
der Menschen gerade durch diejenigen, die dieser Idee zuarbeiten
sollten, lassen sie scheitern. Hinzu kommt der Terror, der die
Destabilisierung der freien Welt zum Ziel hat. Das Ergebnis:
Toleranz, Solidarität, Weltoffenheit - all das schwindet oder wird
zunehmend verleumdet. Dieses "Zeugnis ablegen" ist aber tatsächlich
unsere einzige Waffe. Denn heißt das nicht vor allem, dass wir uns
zur Menschlichkeit bekennen? Wir feiern jetzt Weihnachten. Gott zeigt
sich den Menschen, indem er klein wie ein Kind wird. Er kommt, um den
Menschen zu helfen. Seine eigentliche Größe besteht also in seiner
Menschlichkeit. Insofern ist die Botschaft dieses christlichen Festes
so sympathisch wie kraftvoll: Wer den Nächsten achtet, ihm nicht
schaden will, ihn sozusagen liebt, handelt zutiefst menschlich und
zielt auf Frieden ab. So einfach das klingt, so schwer ist es in
diesen Tagen. Aber die Mühe lohnt sich allemal.
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