Neue Westfälische (Bielefeld): Koalitionsvertrag der künftigen schwarz-gelben Regierung
Neuanfang mit Schwächen
Lothar Schmalen,Düsseldorf
Geschrieben am 16-06-2017 |
Bielefeld (ots) - Respekt! Gerade einmal ein Monat ist seit der
Landtagswahl in NRW vergangen - und schon liegt der 121 Seiten starke
Koalitionsvertrag der künftigen schwarz-gelben Landesregierung auf
dem Tisch. Im Eiltempo haben CDU und FDP Hürden bei der
Zusammenarbeit aus dem Weg geräumt. Im Koalitionsvertrag selbst gibt
es Licht, aber auch viel Schatten. Zu den Pluspunkten zählt sicher,
was die Partner im Bereich Bildungspolitik vereinbart haben: Die
Rückkehr zum G9-Abitur, eine klügere Inklusionspolitik an den Schulen
und der Verzicht auf die Wiedereinführung von allgemeinen
Studiengebühren. Eine stärkere Förderung der Digitalisierung durch
den flächendeckenden Ausbau von schnellen Datenleitungen (auch auf
dem Land) und die Entfachung einer neuen Existenzgründer-Welle,
verbunden mit Bürokratieabbau gehören sicher auch zu den Stärken des
Koalitionsvertrags. Mit der Ankündigung, eine medizinische Fakultät
an der Universität Bielefeld zu gründen, enthält der Vertrag auch
eine wirklich gute Nachricht für die Region OWL. Dünn dagegen ist das
Koalitionsprogramm ausgerechnet in Bereichen, die im Wahlkampf eine
große Rolle gespielt haben. Etwa bei der inneren Sicherheit. 2.300
Polizeibeamte mehr - mit dieser Ankündigung unterscheidet sich die
neue Regierung nicht von den Plänen der bisherigen rot-grünen. Und
die Schleierfahndung, die Laschet vor der Wahl eigentlich zur
conditio sine qua non erklärte hatte, kommt nicht. Stattdessen eine
sogenannte strategische Fahndung, von der niemand so genau weiß,
worin sie sich denn von dem, was Polizisten bisher praktizieren
können, unterscheidet. Auch in der Verkehrspolitik und in der
Bekämpfung der täglichen Staus war von den beiden Koalitionspartnern
nicht viel Neues zu hören. Völlig im Nebel liegt noch die
Finanzpolitik der neuen Regierung. Der Koalitionsvertrag liest sich
in weiten Teilen wie ein Wunschzettel der früheren
Oppositionsparteien. Mehr Geld soll es geben für die Kommunen, für
die Kitas und Hochschulen, mehr Polizisten, mehr Staatsanwälte, mehr
Richter. Wo allerdings das viele Geld dafür herkommen soll, ist
unklar. Immerhin hat Lindner während der Koalitionsverhandlungen
einen neuen Begriff für kostensparenden Personalabbau im öffentlichen
Dienst erfunden: Digitalisierungs-Dividende nennt er es, wenn der
Staat durch den Einsatz von mehr moderner Technik in der Verwaltung
Personal einsparen kann. Und wenn Lindner davon spricht, dass der
Staat mit deutlich mehr Einnahmen rechnen dürfe, dann klingt das
nicht gerade nach neuer Politik. Die schlechten Nachrichten, nämlich
wo Ausgaben gekürzt und wo Personal gespart werden soll, um das viele
Geld zur Abarbeitung des oben genannten Wunschzettels zu generieren,
haben die beiden Koalitionspartner dem geneigten Publikum bisher
jedenfalls erspart - möglicherweise bis zur Bundestagswahl.
Pressekontakt:
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