Mittelbayerische Zeitung: Mehr Einsatz für gute Pflege / Die Zahl der hilfebedürftigen Menschen nimmt zu, zugleich gibt es immer weniger Pflegefachkräfte. Leitartikel von Dagmar Unrecht
Geschrieben am 09-01-2018 |
Regensburg (ots) - Wir werden immer älter und bleiben auch länger
gesund. Das ist die gute Nachricht. Schwierig wird es, wenn die
Kräfte nachlassen, Krankheiten dazukommen und man schließlich auf
Hilfe angewiesen ist. Die Zahl der pflegebedürftigen Menschen wird in
den kommenden Jahren weiter zunehmen. Gleichzeitig gibt es immer
weniger Pflegefachkräfte. Damit wird die Frage, wie eine gute
Betreuung im letzten Lebensabschnitt gewährleistet und finanziert
werden kann, immer drängender. Diskutiert wird darüber unter dem
Stichwort "Pflegenotstand" schon seit Jahren. Mit den
Pflegestärkungsgesetzen gab es auch einige Verbesserungen, zum
Beispiel für Menschen mit Demenz. Doch der große Wurf, mit dem die
Herausforderungen einer alternden Gesellschaft in Zukunft bewältigt
werden können, ist bisher ausgeblieben. Bundeskanzlerin Angela Merkel
hat in ihrer Neujahrsansprache Verbesserungen für die Pflegeberufe
angemahnt. Auch die SPD ist dafür. Nur wie das passieren soll, ist
offen. Eine neue Regierung muss darauf konkrete Antworten finden. Das
Bundesgesundheitsministerium geht davon aus, dass es bis zum Jahr
2060 rund 4,7 Millionen Pflegebedürftige gibt. Nach Prognosen könnten
im Jahr 2025 gut 200 000 Vollzeitstellen im Pflegebereich unbesetzt
sein. Ausgebildete Pflegekräfte arbeiten nach Angaben der Deutschen
Stiftung Patientenschutz im Schnitt nur 13 Jahre in ihrem Beruf.
Viele kehren dem Job den Rücken, weil sie an ihre körperlichen und
seelischen Grenzen kommen. Der Personalmangel hat auch in der Region
gravierende Folgen: Das Caritas Alten- und Pflegeheim St. Bernhard in
Bernhardswald kann derzeit keine Bewohner mehr aufnehmen, weil
Fachkräfte fehlen. Für die schwierige Personalsituation im
Pflegebereich gibt es mehrere Gründe: familienunfreundliche
Arbeitszeiten im Schichtdienst, häufige Nachtdienste - oft mit
besonders dünner Personaldecke - und aufwendige
Dokumentationspflichten. Die Arbeitsdichte ist hoch, die
Verantwortung auch, nur die Bezahlung fällt - zum Beispiel im
Vergleich mit technischen Berufen - niedrig aus. Die Scheu davor, in
der Altenpflege zu arbeiten, hat aber nicht nur mit dem Verdienst und
der Arbeitsbelastung zu tun, sondern oft auch mit einer fehlenden
Wertschätzung. Der Beruf leidet unter einem schlechten Image. Es
bleibt die Frage, wie höhere Gehälter in der Pflege finanziert werden
sollen. In der Pflegeversicherung wurden die Betragssätze in den
vergangenen Jahren immer wieder erhöht. Finanzielle Spielräume gibt
es dennoch nicht. Höhere Gehälter in der Pflege wären ohne weitere
Beitragserhöhungen nicht möglich - zumindest dann, wenn die
Gesundheitsversorgung in ihrer jetzigen Struktur erhalten bleibt und
keine neuen Töpfe zur Querfinanzierung angezapft werden. Das Problem
ist aber, dass Pflegebedürftige und ihre Angehörigen schon jetzt
viele private Zuzahlungen leisten. Bei insgesamt steigenden
Pflegekosten drohen in Zukunft noch mehr Zuzahlungen. Zugleich ist
schon heute die Hälfte der Heimbewohner auf Sozialhilfe angewiesen.
Der neuen Regierung muss ein schwieriger Spagat gelingen: Die
Belastungen für die Bürger dürfen nicht vollkommen aus dem Ruder
laufen, gleichzeitig muss mehr Geld und mehr Pflegepersonal
mobilisiert werden. Dazu kommt, dass es derzeit kein vernünftiges
Bewertungssystem für Heime und Pflegedienste gibt. Der Pflege-TÜV
liegt auf Eis, weil er nur Top-Noten vergeben hat und Missstände
nicht zu erkennen waren. Eine Neuregelung steht noch aus. Deutschland
hat eines der besten Gesundheitssysteme der Welt. Es ist unwürdig,
auf Kosten alter Menschen Flickschusterei zu betreiben.
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