Deutsche Umwelthilfe befürchtet vierjährigen Stillstand im Umwelt- und Verbraucherschutz
Geschrieben am 07-02-2018 |
Berlin (ots) - Deutsche Umwelthilfe analysiert Koalitionsvertrag
auf seine Wirkung für Umwelt und Klimaschutz: Koalitionspartner
zementieren den umweltpolitischen Stillstand - Die "Saubere Luft" und
der Klimaschutz im Verkehrsbereich werden einer weiteren Förderung
von Dieselfahrzeugen geopfert - GroKo knickt vor den Interessen der
Müll-Lobby ein und verzichtet auf Abfallvermeidung - Rechte von
Verbänden sollen begrenzt und Bürgerbeteiligung zurückgedreht werden
Mit großer Besorgnis nimmt die Deutsche Umwelthilfe (DUH) zur
Kenntnis, dass die in den letzten Legislaturperioden bereits nur noch
im Schneckentempo verlaufende Umwelt- und Verbraucherschutzpolitik
unter der neuen Koalition droht, endgültig zum Stillstand zu kommen.
Nachdem das Klimaschutzziel 2020 offiziell begraben wurde, wird auch
das Ziel für 2030 mit den vorgesehenen Maßnahmen nicht zu erreichen
sein. Als einen "Offenbarungseid" sieht die DUH insbesondere das
komplette Fehlen ordnungsrechtlicher Vorschriften im Verkehrsbereich,
um die Automobilindustrie zum Verkauf von spritsparenden und im
realen Leben sauberen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren zu bewegen.
Während der deutsche Steuerzahler viel Geld für den Schutz der
Biologischen Vielfalt in Entwicklungsländern ausgibt, wird in
Deutschland der streng geschützte Wolf zum Abschuss freigegeben.
"Der gesamte Koalitionsvertrag ist vom mangelhaftem
Anspruchsniveau im Bereich Umwelt- und Verbraucherschutz
gekennzeichnet", resümiert Sascha Müller-Kraenner,
Bundesgeschäftsführer der DUH. "Das gesamte Papier basiert auf
Prüfaufträgen und Finanzierungsvorbehalten, mit denen die notwendigen
Entscheidungen zum Klima-, Ressourcen- und Naturschutz auf den
Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben werden", so Müller-Kraenner weiter.
"Der Umweltpolitik in Deutschland drohen vier weitere bleierne
Jahre."
CDU, CSU und SPD scheiterten in ihrem Verhandlungsmarathon daran,
sich auf konkrete Maßnahmen für den Klimaschutz, wie den
Kohleausstieg, mehr Gebäudeeffizienz und CO2-Einsparung im
Verkehrssektor zu einigen. Stattdessen wird die Verantwortung auf
Kommissionen ausgelagert. Diese Verschiebung politischer
Entscheidungen in außerparlamentarische Kommissionen wird aus Sicht
der DUH dazu führen, dass über die kommenden Monate bis Jahre das
gesetzliche Handeln im Klimaschutz weiter auf Eis liegen wird.
"Zum Thema Luftreinhaltung fällt den möglichen Koalitionären nicht
mehr ein, als dass sie keine Fahrverbote wollen. Wo ist die
rechtliche Verpflichtung, für die seit 20 Jahren betrügerisch
agierende Automobilindustrie, die neun Millionen Euro 5 + 6
Betrugs-Diesel mit einer auch in den Städten funktionierenden
Abgasreinigungsanlage auf Harnstoffbasis nachzurüsten? Und warum
lässt die beim Klimaziel 2020 wortbrüchige Große Koalition zu, dass
die Autobauer unsere Städte mit schmutzigen SUVs und neuerdings
Edel-Pritschenwagen überfluten? Das Verkehrskapitel im
Koalitionsvertrag zeigt eindrucksvoll, wie BMW, Daimler und
Volkswagen auch weiterhin durchregieren", sagt Jürgen Resch,
Bundesgeschäftsführer der DUH.
Für äußerst bedenklich hält der Umwelt- und
Verbraucherschutzverband, dass das Thema Abfallvermeidung im
Koalitionsvertrag praktisch nicht stattfindet. Dabei ist Deutschland
Europameister beim Verpackungsabfall. Anstatt das Plastikmüllproblem
bereits im Entstehen durch eine klare Förderung von Mehrwegsystemen,
höhere Entgelte und Abgaben zu lösen, fehlt ein klares Bekenntnis zur
Abfallvermeidung und Mehrwegschutz.
Mit der Vorgabe, europäisches Recht zukünftig nur noch eins zu
eins umzusetzen, verabschieden sich die zukünftigen Koalitionspartner
von der sogenannten deutschen Vorreiterrolle in der Umweltpolitik.
Diese nun auch schriftlich dokumentierte Haltung der Bundesregierung
passt zu den Meldungen der vergangenen Wochen, dass Deutschland seine
europäischen Ziele beim Klimaschutz, beim Ausbau der erneuerbaren
Energien und bei der Verbesserung der Energieeffizienz bis 2020
reißen wird. Aber nicht einmal eine Eins-zu-eins-Umsetzung des
Europarechts ist sichergestellt. Gegen keinen EU-Mitgliedstaat laufen
aktuell so viele Vertragsverletzungsverfahren wegen Falsch-Umsetzung
von EU-Vorschriften wie gegen Deutschland. Die DUH mahnt an, dass die
nationale Klima- und Ressourcenschutzpolitik weitaus ambitionierter
sein muss, als die europäischen Umweltvorschriften, die häufig nur
einen unzureichenden Kompromiss darstellen. "Die Bundesregierung
kündigt mit dem Koalitionsvertrag schwarz auf weiß und unumwunden an,
dass sie nur noch das Nötigste machen und nicht mehr das Notwendige
vorantreiben wird", so Müller-Kraenner.
"Der Koalitionsvertrag setzt auf unmündige Bürger und möchte
Beteiligungsrechte wie die Verbandsklage weiter beschneiden", moniert
Barbara Metz, Stellvertretende Bundesgeschäftsführerin der DUH. So
soll die Planung und der Bau großer Infrastrukturvorhaben in den
Bereichen Verkehr und Energie durch Einschränkungen des
Verbandsklagerechtes vorangetrieben werden. Die DUH kündet schon
jetzt an, diesen Verstoß gegen die europaweit gültige
Arhus-Konvention zum Informationszugang und der
Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren, rechtlich
überprüfen zu lassen.
Auch im Natur- und Artenschutz läuft die Bundesregierung offenen
Auges in ihr nächstes europäisches Vertragsverletzungsverfahren. Die
vorgesehene "letale Entnahme" des europaweit geschützten Wolfes ist
und bleibt ein Verstoß gegen europäisches Artenschutzrecht. "In den
vergangenen hundertsiebzig Jahren kam kein einziger Mensch in
Deutschland außerhalb der Märchenwelt durch einen Wolf körperlich zu
Schaden", sagt Müller-Kraenner.
In den kommenden vier Jahren wird es mehr denn je darauf ankommen,
dass eine wache Zivilgesellschaft den Druck auf die politischen
Entscheidungsträger, im Umwelt- und Klimaschutz endlich zu handeln,
aufrechterhält. Wo die Bundesregierung sich weiterhin weigert,
geltendes nationales und europäisches Recht umzusetzen, bleibt
weiterhin nur der Weg über die Gerichte.
Pressekontakt:
Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer
0160 90354509, mueller-kraenner@duh.de
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer
0171 3649170, resch@duh.de
Barbara Metz, Stellvertretende Bundesgeschäftsführerin
030 2400867-74, 0170 7686923, metz@duh.de
DUH-Pressestelle:
Andrea Kuper, Ann-Kathrin Marggraf
030 2400867-20, presse@duh.de
www.duh.de, www.twitter.com/umwelthilfe, www.facebook.com/umwelthilfe
Original-Content von: Deutsche Umwelthilfe e.V., übermittelt durch news aktuell
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