junge Welt: Diktatur auf Raten. Kommentar zur Militärintervention in Rio de Janeiro. Von Peter Steiniger
Geschrieben am 20-02-2018 |
Berlin (ots) - Fortführung der Politik mit anderen Mitteln: Im
krisengeschüttelten brasilianischen Bundesstaat Rio de Janeiro hat
nun ein General des Heeres das Sagen. Per Dekret aus dem Palácio do
Planalto wurde am vergangenen Freitag die öffentliche Sicherheit in
die starken Hände des Militärs gelegt. Denn dort geht es kriminell zu
- und der »neoliberale Vampir« zeigt nun die Zähne. Als solcher wurde
Brasiliens Staatschef Michel Temer zuvor während des berühmten
Karnevals in der wunderbaren Stadt am Zuckerhut von der Sambaschule
Paraíso de Tuiuti der Weltöffentlichkeit vorgeführt. Dem Herren,
dessen illegitime Regierung die Arbeiterrechte schleifen lässt und
den Multis die Schätze des Landes auf dem Silbertablett überreicht,
müssen die sonst recht starren Gesichtszüge - eine gewisse
Ähnlichkeit mit einer berühmten Filmfigur ist tatsächlich nicht zu
verkennen - entgleist sein. Die Zensur schaltete sich ein: Beim Umzug
der Sieger am Sonnabend durfte der Temer-Imitator nicht noch einmal
mit Präsidentenschärpe auftreten. Eine zivile und erfreuliche
Maßnahme: Offenkundig traut man den telenovelasüchtigen
Globo-Konsumenten doch mehr zu als dem Sender selbst, der zunächst
eher einen bunten Historienaufzug als eine Anklage gegen die
Blutsauger und Sklaventreiber von heute gesehen hatte.
Doch nach dem Karneval ist Schluss mit lustig. Im Parlament in
Brasília steckt die Rentenkürzungsreform fest, für Montag hatten die
Gewerkschaften zu landesweiten Streiks und Demonstrationen
aufgerufen. Schon wieder unerwünschte Bilder. Doch Knarren, Panzer
und Soldaten sind auch recht telegen. Und tatsächlich ist die
Sicherheitslage in Rio katastrophal, fast so schlimm wie in Sergipe,
Alagoas oder Espírito Santo etc. pp. Doch die mediale Inszenierung
gefällt jenen schlichten Gemütern, die nach einem starken Mann rufen,
der schnelle Lösungen für alle Probleme verspricht, den Saustall
ausmistet und die Banditen niedermähen lässt. Dafür steht vor allem
der Abgeordnete Jair Bolsonaro, der schlechte alte Zeiten als Modell
für die Zukunft preist. Mit einer Bevollmächtigung des Militärs, wie
es sie seit der Verfassung 1988 am Ausgang der Diktatur nicht mehr
gegeben hat, erweist Temer der extremen Rechten und ihrem
aussichtsreichsten Kandidaten im Wahljahr seine Referenz. Senator
Humberto Costa von der Arbeiterpartei PT spricht von einer
»Bolsonarisierung dieser Regierung«.
Für die Menschen in Rios Favelas sind Soldaten auf ihren Straßen
nichts Neues. Etliche Male rückten die in solche Viertel bereits mit
ein. Die zahlungskräftigen Kokser finden sie hier nicht, und der
Drogenkrieg eskaliert dadurch erst recht. Vor allem schwarze junge
Männer werden exekutiert, verirrte Kugeln treffen immer wieder
Unbeteiligte. Hinter dem Geschäft mit Waffen und Drogen stecken hohe
Kreise aus Politik, Polizei und Militär. Temers Show stört die nicht.
Die sozialen Probleme, aus denen sich die Gewalt speist, bleiben
ungelöst. Das ist wirklich kriminell.
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junge Welt
Redaktion
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