Mittelbayerische Zeitung: Urteil mit sozialem Sprengstoff / Ein Kommentar der Mittelbayerischen Zeitung, Regensburg
Geschrieben am 10-04-2018 |
Regensburg (ots) - Das Bundesverfassungsgericht beendet bei der
Grundsteuer eine massive Ungleichbehandlung der Steuerzahler. Die
Regierung muss eine Lösung finden, mit der Eigentümer und Mieter
leben können.
Einheitswerte, Steuermesszahl, Hebesätze - dem Laien muss der Kopf
schwirren bei all dem Fachchinesisch über die Grundsteuer. Was geht
mich das an, mögen da auch viele denken. Mit dem jetzt verkündeten
Urteil des Bundesverfassungsgerichts eine ganze Menge. Denn wie
allgemein erwartet hat Karlsruhe die bisherige Steuerpraxis gekippt.
Formaljuristisch zwar nur für den Westen. Politisch ist jedoch eine
gesamtdeutsche Neuregelung der Grundsteuer geboten. Was scheinbar
harmlos klingt, birgt sozialen Sprengstoff zuhauf. Denn Grundsteuer
zahlen praktisch alle. Eigentümer von Grundstücken und Immobilien
sowieso - aber eben auch die Mieter. Denn die Grundsteuer wird an sie
weitergereicht. Dabei sind nicht nur die Mieten, sondern auch die
Mietnebenkosten vielerorts schon happig genug. Auf der anderen Seite
stehen die Kommunen. Für sie gehört die Grundsteuer zu den
wichtigsten Einnahmequellen. Wahrlich ein brisantes Spannungsfeld.
Dass es erst des Anstoßes aus Karlsruhe bedurfte, hat mit
jahrzehntelangen politischen Versäumnissen zu tun. Wer die
Immobilienanzeigen studiert, kann leicht feststellen, dass die Preise
vor allem in den letzten Jahren häufig geradezu explodiert sind. An
den Bewertungskriterien des zu versteuernden Grundvermögens ging
diese Entwicklung jedoch spurlos vorüber. Die Folge ist eine massive
Ungleichbehandlung der Steuerzahler. Für ein Haus im sündhaftteuren
München-Schwabing kann im Prinzip die gleiche Grundsteuer anfallen
wie für ein bebautes Grundstück in strukturschwachen Teilen der
Pfalz. Vom bisher geltenden Recht profitierten nämlich alle, deren
Immobilien zum Zeitpunkt ihrer Bewertung verhältnismäßig günstig
waren, aber längst kräftig an Wert gewonnen hatten. Das Nachsehen
hatten jene, deren Immobilien einen Wertverlust verzeichneten. All
das wussten Bund und Länder seit Jahr und Tag. Für eine Reform fanden
sie aber nie einen gemeinsamen Nenner. Sehr zum Verdruss der
Verfassungshüter. Deshalb lässt Karlsruhe der Politik jetzt auch nur
noch wenig Zeit, um die Sache endlich zu bereinigen. Besonders
aufwendige Lösungen, wie sie zuletzt im Bundesrat zur Debatte
standen, und bei denen sowohl alle Grundstücke als auch sämtliche
Gebäude hätten neu taxiert werden müssen, dürften damit zunächst vom
Tisch sein. Ein denkbarer Ansatz wäre eine Bodensteuer, wie sie
Wirtschaftsforscher bis hin zum Mieterbund favorisieren. Sie ließe
sich auch vergleichsweise zügig einführen. Jetzt ist es so, dass
Investitionen in Gebäude automatisch zu einer höheren Besteuerung
führen. Belohnt werden damit diejenigen, die gar nicht erst bauen,
sondern nur auf steigende Grundstückspreise setzen. Das verknappt das
Angebot und führt letztlich auch zu steigenden Mieten. Mit einer
Bodensteuer bliebe der Bodenwert gleich - egal, ob bebaut, oder
nicht. Spekulationen mit Grundstücken wären dadurch weniger lukrativ,
und Mietanstiege ließen sich womöglich dämpfen. Am Ende wird es auf
jeden Fall Gewinner und Verlierer geben. Soll die Grundsteuer weiter
ein entscheidendes Finanzierungsinstrument der Kommunen bleiben,
werden die einen künftig weniger bezahlen und die anderen dafür mehr.
Jetzt geht es darum, die von Karlsruhe aufgebrummte Mega-Reform
sozial gerecht auszugestalten. Die neue Bundesregierung um Kanzlerin
Angela Merkel braucht jedenfalls gar nicht erst die Mietpreisbremse
anzuschärfen, oder soziale Wohnungsprogramme aufzulegen, wenn das
nicht gelingt. Denn das sind Nebenkriegsschauplätze im Kampf gegen
Mietwucher, solange die Kardinalfrage der Grundsteuer praktisch
ungeklärt bleibt.
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Mittelbayerische Zeitung
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