Mittelbayerische Zeitung: Die CSU hat Ärger verdient / Kommentar der Mittelbayerischen Zeitung, Regensburg
Geschrieben am 13-05-2018 |
Regensburg (ots) - Beim Polizeiaufgabengesetz, dem
Psychiatriegesetz und der Kreuzpflicht zeigt die CSU mangelhaften
Politikstil. Und verspielt Chancen. Denn alle drei Pläne sind
ernsthafte Debatten wert.
Polizeiaufgabengesetz, Psychiatriegesetz und Kreuzpflicht in
staatlichen Gebäuden: Die CSU hatte drei Mal Ärger herausgefordert
und kassiert ihn nun zu Recht. Der größte Fehler ist in allen Fällen
nicht der Plan an sich, sondern der mangelhafte Politikstil. Es fehlt
der CSU an Problembewusstsein und Sensibilität, die Partei bricht
sich dickschädelig politisch Bahn und verspricht Dialogbereitschaft
erst, wenn der maximale Schaden (auch für die CSU selbst) angerichtet
ist und das eigene politische Lager erste Irritationen zeigt. Selbst
der nun angekündigte Dialog soll CSU-Gesetzmäßigkeiten folgen. Beim
Polizeiaufgabengesetz bedeutet er für Ministerpräsident Markus Söder
etwa nicht, zuzuhören und bei überzeugenden Argumenten der Gegenseite
nachzujustieren. Dialog bedeutet, das Gesetz am Dienstag trotzdem mit
CSU-Mehrheit zu beschließen, es gesprächsbereiten Kritikern jedoch
besser zu erklären. Was gerade zu beobachten ist, sind keine
Ausrutscher. Es ist keine Häufung von Missgeschicken im Vorfeld der
Landtagswahl. Man muss vielmehr schon fast von einem Markenkern der
CSU sprechen, stark spürbar ebenso in der Debatte um die dritte
Startbahn am Münchner Flughafen oder die Reform des
Kommunalwahlrechts. Das Kernproblem: Der CSU mangelt es an einem
Korrektiv - ein böser Nebeneffekt des lange lückenlosen Regierens mit
absoluter Mehrheit. Nachdenkliche Parteifreunde mit gutem Gespür
werden in heikle Entscheidungen nicht eingebunden. Argumente der
Opposition werden routinemäßig ausgeblendet. Bei Söder hätte so oder
so ankommen müssen, dass Kreuze in staatlichen Gebäuden in Bayern
sicher nicht fehl am Platz sind, Vorstöße dieser Art aber behutsamer
anzugehen sind und sein erstes, überraschendes Platzieren eines
Kreuzes vor laufenden Kameras im Entree der Staatskanzlei suboptimal
war. Innenminister Joachim Herrmann hätte wissen können, dass es
gerade in einem so sicheren Bundesland wie Bayern doppelt
erklärungsbedürftig ist, wenn Polizeigesetze massiv verschärft
werden. Beim Psychiatrie-Kranken-Hilfe-Gesetz, das unter Beteiligung
mehrerer Ministerien entstanden ist, müssen sich alle Seiten fragen,
warum keiner dem Anderen in den Arm gefallen ist. Dabei wären
Polizeiaufgabengesetz, Psychiatrie-gesetz und Kreuzpflicht jenseits
aller Mängel ernsthafter Debatten wert, die leider in den
Proteststürmen weitgehend untergegangen sind. Das hat nicht allein
die CSU zu verantworten. Im breit aufgestellten "NoPAG"-Bündnis war
nicht jeder gleichermaßen an tiefschürfenden Gesprächen interessiert.
Es finden sich in den Reihen auch Kritiker, die gern auch mal nur so
auf Söder, Seehofer und die CSU draufhauen - und das teils
tatsächlich mit schiefen Argumenten. Bei SPD und Grünen wiederum
wittert man angesichts der offenen Flanken der Regierungspartei
Morgenluft, kostet diesen raren Moment aus. Es sei der Opposition
gegönnt. Doch die echten Diskussionen müssen rasch in den Vordergrund
treten. Beim Polizeigesetz geht es im Kern um die Frage, wie weit der
Wunsch nach Sicherheit die Freiheit jedes Einzelnen beschränken darf.
Klar ist: alles hat seinen Preis, auch mehr Freiheit auf Kosten der
Sicherheit. Beim Psychiatriegesetz geht es darum, wie gut oder
schlecht die Gesellschaft mit Menschen umgeht, die (vorübergehend)
aus dem Gleichgewicht sind. Die Kreuzpflicht wirft Fragen auf, wie es
um die gemeinsamen Werte in Bayern bestellt ist: Was ist es, was
diese so widersprüchliche Gesellschaft in politisch aufgeheizten
Zeiten zusammenhält? Alles Fragen, die drängend sind, gerade in einem
Jahr, in dem sich in Bayern das politische Koordinatensystem verrückt
und mit der AfD wohl ab Herbst eine Partei im Landtag sitzt, die von
politischen Grenzverletzungen lebt und den Staat in seiner heutigen
Form radikal zur Disposition stellt.
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