Mittelbayerische Zeitung: Das Gift der Kröte / Die SPD wird auf den Kurs der Union eingehen, weil ihr gar nichts anderes übrig bleibt. Dieser Schwenk wird im Inneren der Partei toxische Wirkung entfal
Geschrieben am 04-07-2018 |
Regensburg (ots) - Die SPD kann es zur Zeit nur falsch machen.
Gehen die Sozialdemokraten auf den Kompromiss zur Migrationspolitik
ein, auf den sich CDU und CSU geeinigt haben, verraten sie ihre
Haltung, die sie Anfang der Woche - und zwar einstimmig - beschlossen
haben. Explizit und gleich zwei Mal lehnt das SPD-Papier vom Montag
"geschlossene Lager" ab. Schwenkt die SPD jetzt auf Unionskurs ein,
pulverisiert sie die letzten zarten Rückgratwirbel, die Anhänger noch
bei der Partei vermuten. Dennoch werden SPD-Chefin Andrea Nahles und
Vizekanzler Olaf Scholz die fette Kröte schlucken, die ihnen die
Union heute beim Spitzengespräch in Berlin vorsetzt.
"CSU-Schnapsidee!", "Transitzonen kann die CSU vergessen!" oder auch
"Den sogenannten Christsozialen brennen die politischen Sicherungen
durch!": Ralf Stegner, immer gut für klare Kante, ätzte Ende 2015 auf
Twitter gegen Horst Seehofers Pläne für den Umgang mit der
Zuwanderung. Der SPD-Vize, der damals brüllte wie ein Löwe, klingt
heute kätzchenzahm. "Kampfbegriffe" seien "nicht besonders nützlich",
schnurrte er am Dienstag, und: Die SPD werde die Vorschläge "in aller
Ruhe prüfen". Der Schwenk des SPD-Champions der markigen Sprüche
spricht Bände. Der Partei bleibt gar nichts anderes übrig, als auf
Unionskurs einzuschwenken. Denn ein Nein zu den Transitzentren für
Asylbewerber würde die Bodenluke zum freien Fall der SPD öffnen. CDU
und CSU werden unter keinen denkbaren Umständen verzichten auf ihre
unter äußerstem Aufwand errungene Einigung. Zu erbittert war dieser
Zwist. Eher lassen es die Schwestern auf einen Bruch mit dem
Koalitionspartner ankommen, mit dessen Vorstellungen sie sich in
weiten Bereichen sowieso nur sehr fern verwandt fühlen. Die
Konsequenz: Die SPD ginge als Schuldige am Scheitern der Koalition
aus dem Konflikt hervor und müsste sich Wähler suchen - in einer
Zeit, in der sie kein identifizierbares Profil mehr besitzt. Wo
sollte die SPD diese Wähler finden? Der "kleine Mann", früher ein
verlässliches Fundament der einstigen Arbeiterpartei, wünscht sich
eine klare und auch schärfere Haltung in der Asylpolitik und entdeckt
Sympathien für die AfD. Und die linksliberale Wählerschaft fühlt sich
schon lange nicht mehr wohl in einer SPD, die - wie zuletzt bei den
Koalitionsverhandlungen - den Konservativen immer wieder
Zugeständnisse machen muss. Andrea Nahles und ihre Partei werden also
die vermeintlich kleinere Kröte schlucken, obwohl sie um ihre
toxische Wirkung wissen. Sie werden den Bruch mit dem
Regierungspartner vermeiden - und dafür in Kauf nehmen, dass das Gift
das eigene Lager beträufelt und zersetzt. Kevin Kühnert, der
charismatische Juso-Chef, tönte gestern mit drohendem Unterton: "Ich
erwarte, dass wir da nicht einknicken." Auch die Bayern-SPD mit
Natascha Kohnen an der Spitze, die die GroKo von Anfang an skeptisch
betrachtet hat, wird sich schwer tun, ihren Anhängern zu verklickern,
wie man das Agieren der Bundespartei in der Asylpolitik denn noch gut
finden soll. Profil zeigt vor allem die CSU. Während sich eine
passiv-aggressiv taktierende Angela Merkel nach den Fehlern von 2015
durch Aussitzen hervortut und sich die SPD maulend, saft- und
kraftlos mitschleppen lässt, beweist die CSU Haltung. Horst Seehofer
kämpft als Bundesinnenminister aus, was er bereits als
Ministerpräsident während des Kontrollverlusts vor drei Jahren
vorgeschlagen hat, und bringt in wenigen Wochen mehr Bewegung in die
Asylpolitik als die Kanzlerin und ihre CDU in Jahren. "Einigung mit
der SPD auf Transitzonen gibt es nur in der Fantasie von Herrn
Seehofer": Das war 2015 auch so ein Tweet von Ralf Stegner. Fantasie:
Die möchte man der SPD jetzt wünschen.
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