Allg. Zeitung Mainz: Bitter / Kommentar von Reinhard Breidenbach zum Missbrauchsprozess Staufen
Geschrieben am 07-08-2018 |
Mainz (ots) - Es genügt nicht, die Täter und ihre Taten monströs,
widerwärtig, ungeheuerlich zu finden. Der Fall Staufen muss
Konsequenzen haben. Die erste Konsequenz zog das Gericht mit seinem
Urteil. Sie ist unzulänglich. In der Strafhöhe kommt das
sozial-ethische Unwerturteil für die Taten zum Ausdruck - so hat es
das Bundesverfassungsgericht schon vor Jahrzehnten bestimmt. Zwölf
und zwölfeinhalb Jahre Haft sind kein besonders eindrucksvolles
Unwerturteil für jahrelange Folter und Vergewaltigung, für die
Ermordung einer Kinderseele. Die mütterliche Vergewaltigerin könnte
nach sechs oder acht Jahren wieder auf freiem Fuß sein, wegen "guter
Führung". Und auch der männliche Vergewaltiger könnte, trotz
Sicherungsverwahrung, in ein paar Jahren in Freiheit gelangen. Ist
das unser sozialethischer Wertekanon? Eine Mutter als Vergewaltigerin
ihres Sohnes - erstaunen kann das nur Naive. Unerlässlich ist aber
Realitätssinn. Bittere Realität ist das Monstrum Darknet, der
virtuelle Zuhälter der verbrecherisch Triebhaften. Bittere Realität
ist aber auch, dass es den Sicherheitsbehörden verboten ist, sich
mithilfe unechter, computergenerierter Pornobilder in diese Szene
einzuschleusen. Bitter nicht zuletzt diese Erkenntnis: Der Fall
Staufen konnte sich so schrecklich nur entfalten, weil vor Jahren ein
Landgericht, ein Amtsgericht und ein Jugendamt eklatant versagten.
Die dafür Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, wird kaum
gelingen. Die Behörden müssen aber wenigstens alles tun, um künftig
nicht erneut einen solchen Bankrott hinzulegen. Niemals wegschauen -
das ist für den Bürger die Lehre, und die Verpflichtung.
Pressekontakt:
Allgemeine Zeitung Mainz
Andreas Trapp
Newsmanager
Telefon: 06131/485980
online@vrm.de
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