BERLINER MORGENPOST: Nicht ohne die Russen / Leitartikel von Jörg Quoos zum Putin-Besuch
Geschrieben am 18-08-2018 |
Berlin (ots) - Kurzform: Deutschland braucht Russland und muss mit
diesem komplizierten Partner angemessen umgehen. Und angemessen kann
nur heißen: Keinen Millimeter nachgeben beim Thema
Völkerrechtsverletzungen und Souveränität des westlichen
Verteidigungsbündnisses. Aber es braucht wieder mehr Sensibilität und
mehr Rücksicht auf Stolz und Befindlichkeit der Russen. Das Gemäkel
um den angeblich überzogenen Empfang auf Schloss Meseberg zeigt, wie
kleinlich und geschichtsvergessen manche in Deutschland Außenpolitik
betreiben. Der russischen Nation formal die Ehre zu erweisen, ist
nicht devot, sondern klug. Man muss kein Spitzendiplomat sein, um zu
wissen: Mit einem Gast, der sich wertgeschätzt fühlt, lässt sich
besser verhandeln. Das gilt ganz besonders für die Russen.
Der vollständige Leitartikel: Ein russischer Präsident zu Gast in
Deutschland. Vor wenigen Jahren war das fast Routine, heute ist es
wieder ein heikles diplomatisches Großmanöver. Das liegt am heutigen
Russland, seinem Präsidenten, aber ganz besonders an unserer
aktuellen Weltordnung. Sie ändert sich derart disruptiv, dass auch
das Verhältnis Deutschlands zu Russland davon nicht unberührt bleiben
kann. Die Kanzlerin ist dabei die Letzte, der man zu viel
Blauäugigkeit im Umgang mit dem Russen vorwerfen kann. Angela Merkel
misstraut Wladimir Putin seit seinem ersten Tag als Präsident. Sie
kennt ihn - und seine vielen Gesichter - aus unzähligen persönlichen
Begegnungen. Niemand kann so gut wie die im Osten aufgewachsene
Wissenschaftlerin seine frühere Rolle als KGB-Mann in Dresden
einordnen. Auch deshalb ist Merkel für Putin eine schwierige und
wichtige Partnerin zugleich. Die Kanzlerin tut gut daran - wie
gestern in Meseberg -, ihren Draht zu Putin zu verbessern.
Deutschland braucht Russland und muss mit diesem komplizierten
Partner angemessen umgehen. Und angemessen kann nur heißen: Keinen
Millimeter nachgeben beim Thema Völkerrechtsverletzungen und
Souveränität des westlichen Verteidigungsbündnisses. Aber es braucht
wieder mehr Sensibilität und mehr Rücksicht auf Stolz und
Befindlichkeit der Russen. Das Gemäkel um den angeblich überzogenen
Empfang auf Schloss Meseberg zeigt, wie kleinlich und
geschichtsvergessen manche in Deutschland Außenpolitik betreiben. Der
russischen Nation formal die Ehre zu erweisen, ist nicht devot,
sondern klug. Man muss kein Spitzendiplomat sein, um zu wissen: Mit
einem Gast, der sich wertgeschätzt fühlt, lässt sich besser
verhandeln. Das gilt ganz besonders für die Russen. US-Präsident
Obama war es, der in einer Mischung aus Arroganz und Dummheit
Russland als unberechenbare Weltmacht wieder ins Spiel gebracht hat.
Sein Urteil, Russland sei klein, schwach, produziere nichts
Vernünftiges und sei höchstens eine Regionalmacht, hat den russischen
Bären schrill geweckt. Mit dieser Regionalmacht hat die Welt wieder
eine Menge zu tun. In der Ukraine, in Syrien, an den Nato-Grenzen und
in den weltweiten Computernetzwerken. Die Kanzlerin hat dies erkannt
und bemüht sich aus taktischen Gründen um eine Aufwertung der Russen.
Das Land sei "ein Akteur, ohne den die Lösung verschiedener
internationaler Probleme nicht möglich ist", ließ sie vor dem Treffen
sperrig verlauten. Sie könnte auch einfacher sagen: "Ohne die Russen
läuft nichts." Da wird Putin hinter den schweren Schlosstüren nicht
widersprochen haben. Nicht nur im Krimkonflikt muss es endlich zu
Fortschritten kommen. Auch in Syrien hat Russland eine
Schlüsselrolle. Wer ein Blutbad unter Zivilisten in der
eingekesselten Stadt Idlib verhindern will, muss die Russen als
Schutzmacht Assads an ihre Verantwortung erinnern und rechtzeitig
Konsequenzen aufzeigen. Angela Merkels neue Zuwendung zu Putin hat
sicher auch mit dem Liebesentzug in Washington zu tun. Es ist kein
Geheimnis, dass Merkel sogar mit dem schwierigen Russen persönlich
mehr anfangen kann als mit dem zornigen Mann aus dem Weißen Haus.
Trump war gestern Russlands Freund, heute ist er Gegner. Die nächste
Volte ist nur einen Tweet entfernt. Dieses Hin und Her ist gefährlich
und daher sind beständige, ernsthafte Kontakte zu Russland der beste
Weg hin zu mehr Sicherheit und Stabilität. Das Treffen im
sommerlichen Meseberg war dabei ein wichtiger Schritt.
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