Allg. Zeitung Mainz: Ein Segen / Kommentar von Friedrich Roeingh zu Maas' Türkei-Besuch
Geschrieben am 05-09-2018 |
Mainz (ots) - Ein Außenminister kann sich seine Gesprächspartner
nicht aussuchen. Im Gegenteil, es ist sein Job, auch mit denjenigen
Regierungen den Gesprächsfaden aufrecht zu erhalten, mit denen das
eigene Land gerade im Clinch liegt. Gemessen an der Vielzahl der
Streitpunkte, die Deutschland mit der Türkei Erdogans ausficht, ist
Maas' Besuch also ein Segen. Für die noch immer in der Türkei
inhaftierten sieben Deutschen ist er es in jedem Fall. Maas wird sie
auf seinem Rückflug sicher nicht gleich mit nach Berlin nehmen
können. Ihre Haftbefehle werden aber hoffentlich bald aufgehoben,
nachdem die türkische Regierung auf die Unabhängigkeit der Gerichte
im Land verwiesen hat. Das liegt an zwei Themen, bei denen die Türkei
die Unterstützung Deutschlands und der Europäischen Union dringend
braucht: Die von den USA ausgelöste Wirtschaftskrise des Landes. Und
den bevorstehenden Angriff der syrischen Regierungstruppen auf das
grenznahe Idlib. Die gemeinsame Interessenlage sorgt allerdings noch
nicht dafür, dass die Gesprächspartner in diesen aktuellen
Schicksalsfragen der Türkei viel bewegen könnten. Zu den von Ankara
gewünschten Investitionen kann die Bundesregierung die deutsche
Wirtschaft nicht zwingen. Und für den Fall einer neuen
Flüchtlingswelle, die die Zahl der Syrer in der Türkei auf über vier
Millionen anschwellen lassen könnte, kann Maas allenfalls
Milliardenhilfen der EU in Aussicht stellen. Wer allerdings Gefallen
daran findet, wie stark Präsident Erdogan inzwischen unter Druck
geraten ist, der hat noch nicht verstanden, wie sehr beide Themen
auch auf Deutschland durchschlagen können.
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