Allg. Zeitung Mainz: Extrem heikel / Reinhard Breidenbach zur Organspende
Geschrieben am 31-10-2018 |
Mainz (ots) - Wenn Jens Spahn weiter aufsteigt, wird es noch viele
Überraschungen geben, für die CDU und für Spahns Gesundheitsressort.
Ob das gut oder schlecht ist, wird sich zeigen. Beim Thema
Organspende wartet der Minister mit einer sensationellen Ansage auf:
Hauptproblem sei nicht die geringe Organspendebereitschaft,
Hauptproblem seien Abläufe und Geldknappheit in Kliniken. In dieser
Eindeutigkeit hatte das früher nie jemand formuliert - oder
vielleicht absichtlich nur leise, auf dass der Grundtenor nicht
gestört würde. Und der lautete: Die geringe Organspendebereitschaft
ist daran schuld, dass 10 000 Kranke den Tod vor Augen haben, weil
kein Spenderorgan zur Verfügung steht. Wenn diese Grundthese nicht
mehr zu halten ist, und wenn Spahn die Verbesserungen bei der
finanziellen und organisatorischen Ausstattung der Kliniken
hinbekommt, dann verliert die nicht unumstrittene - ebenfalls von
Spahn forcierte - Widerspruchslösung mindestens ein Stück weit ihre
Berechtigung. Organspender ist jeder, der nicht "Nein" sagt: Das ist
ethisch und juristisch unglaublich heikel. Und gefährlich, weil es
gedanklich auf einen Weg führen könnte, der die Organspende zur
selbstverständlichen Bürgerpflicht erklärt und Menschen, die das aus
sehr guten Gründen nicht wollen, ins Abseits stellt. Wer wollte,
konnte bislang so argumentieren:Ethische und juristische Bedenken
gegen die Widerspruchslösung müssen zurücktreten, weil die
mangelhafte Organspendebereitschaft eine Art übergesetzlicher
Notstand ist, dem alles untergeordnet werden muss. Aber vielleicht
ist diese Argumentation nicht mehr haltbar.
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