Mittelbayerische Zeitung: Grüner Zeitgeist / Weg von der ideologisch aufgeladenen Verbotspartei, hin zu staatstragendem Pragmatismus. Die Grünen laufen den ausgezehrten Volksparteien den Rang ab. Von
Geschrieben am 11-11-2018 |
Regensburg (ots) - Selbst Friedrich Merz umgarnt inzwischen die
Grünen. Der einst so neoliberale Polit-Wiedereinsteiger und
Möchtegern-CDU-Chef bescheinigt dem einstigen Unions-Schreckgespenst
mittlerweile Bürgerlichkeit, Offenheit, Liberalität und - wichtig für
alles, was sich in der Nach-Merkel-Zeit entwickeln könnte -
Partnerfähigkeit. Seit 13 Jahren sitzen die Grünen nicht mehr in
einer Bundesregierung. Das Projekt Jamaika scheiterte nicht an ihnen.
Mit ihrem Leipziger Europa-Programm haben sie sich nun vollends für
das Mitregieren im Bund empfohlen sowie klare Duftmarken für die EU
gesetzt. Die Grünen surfen zielsicherer und gekonnter auf einem
Zeitgeist, der nach Veränderung, aber auch Stabilität ruft, als es
die ausgezehrten ehemaligen Volksparteien tun. Dabei gehen den
jungen, frischen grünen Spitzenleuten Annalene Baerbock, Robert
Habeck sowie den nach Europa strebenden Kandidaten Ska Keller und
Sven Giegold heute Äußerungen flott über die Lippen, für die sich die
urgrünen Gründungsmütter und -väter wahrscheinlich auf die Zunge
gebissen hätten. Dass sie dieses Land lieben, es beschützen wollen,
das Gewaltmonopol des Staates durchsetzen, aber nicht infrage
stellen, hätte unter den bürgerbewegten Grünen vor vier Jahrzehnten
nur Stirnrunzeln hervorgerufen oder schlimmeres. Doch die Zeiten
ändern sich. Und die Grünen, die in zahlreichen Länderregierungen
Verantwortung tragen, haben mit dafür gesorgt, dass sich vieles
änderte im Land. Sie stehen ganz vorne, wenn es gilt, Bürger- und vor
allem Frauenrechte zu verteidigen und auszubauen. Und sie sind und
bleiben die deutsche Umwelt- und Klimaschutzpartei. Wenngleich sie
mancher Bewegung bereits viel zu angepasst, viel zu "Realo" geworden
sind. Vor allem haben die Grünen dazugelernt. Anders als noch vor
zwanzig Jahren, als Parteitage flott fünf Mark für den Liter Sprit
forderten, sind sie heute nicht mehr die ideologisch aufgeladene
Verbotspartei, sondern eine pragmatisch handelnde, staatstragende
politische Vereinigung. Dass der eine oder andere Spitzenpolitiker,
etwa Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann oder
Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer, aus dem Kurs der grünen
Berliner Parteiführung ausscheren, gehört freilich dazu. Ein Land
oder eine Stadt lassen sich nicht nun einmal nicht zu einhundert
Prozent nach dem Grünen-Programm regieren. Da braucht es auch
Kompromisse, rasche pragmatische Lösungen, die höllisch wehtun und
der Parteibasis überhaupt nicht schmecken können. Den immensen
Zuwachs der Grünen in der Wählergunst - nicht nur in Bayern und
Hessen, sondern bundesweit - hat auch das inzwischen für jeden
spürbare Klimaproblem befeuert. Während Deutschland unter einem
langen Dürresommer stöhnte, brachen anderorts die Dämme, gab es
sintflutartige Regenfälle, Stürme, Feuersbrünste. Nur ganz hart
gesottene Leugner des menschengemachten Klimawandels können dieses
globale Problem noch kleinreden. Die jahrzehntelangen Warnungen von
Grünen und Wissenschaftlern vor der drohenden Erderwärmung scheinen
sich zu bestätigen. Die spannende Frage ist nun freilich, wie rasch
der Ausstieg aus der Verbrennung von Kohle, Gas und Öl gelingen kann,
ohne dass der Wirtschaftsstandort Deutschland entkernt wird, ohne
dass es im Zuge der Energiewende zu sozialen Verwerfungen kommt.
Dafür bieten auch die Grünen viel mehr schöne Überschriften, als
klare Konzepte und Lösungen an. Und dass die Grünen aufpassen müssen,
dass ihnen die Freiheit von Kultur, Kunst und Medien nicht aus dem
Fokus gerät, wies in Leipzig zu Recht der Straubinger
Bundestagsabgeordnete und Musikmanager Erhard Grundl hin. Die
Herausforderungen durch Digitalisierung, aber auch die zahlreichen
Populisten in vielen Ländern Europas, sind gewaltig.
Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de
Original-Content von: Mittelbayerische Zeitung, übermittelt durch news aktuell
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
662356
weitere Artikel:
- Westfalenpost: Jens Helmecke zu Friedrich Merz Hagen (ots) - Friedrich Merz hat nicht erst seit seinem Auftritt
am Wochenende beim CDU-Kreisparteitag in seiner Sauerländer Heimat
den Status einer "Lichtgestalt". Dennoch war nicht
selbstverständlich, dass der weltgewandte Jurist und
Wirtschaftslobbyist uneingeschränkte Zustimmung einsammeln konnte.
Der Erfinder der "Bierdeckel-Steuer" gilt in der Bevölkerung nach wie
vor vielen als Neoliberaler, auch wenn er sich dagegen verwehrt. Merz
ist ein kluger Kopf und insofern lernfähig. Die klare Forderung an
die Wirtschaft, deutlich mehr mehr...
- Rheinische Post: Schwarz-grüne Option Düsseldorf (ots) - von Eva Quadbeck
Die Kanzleroption der CDU ist grün. Und die CDU ist eine rationale
Partei. Sie wird aus den drei Kandidaten einen auswählen, der auch
mit den Grünen kann. Daher umgarnt nun auch Friedrich Merz die
Grünen. Sie sind eine linke bürgerliche Partei geworden und haben der
SPD das Image der Fortschrittspartei abgeknöpft. Den möglichen Bruch
der großen Koalition vor Augen schwenken die Wähler in den Umfragen
zur Option einer Regierungsmannschaft aus erneuerter CDU und starken
Grünen. In diesem Planspiel mehr...
- Rheinische Post: Unsere Gleichgültigkeit bedroht den Frieden Düsseldorf (ots) - von Matthias Beermann
Mehrere Dutzend Staats- und Regierungschefs haben in einer
feierlichen Zeremonie vor dem Pariser Triumphbogen an das Ende des
Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren erinnert. Eines Konflikts,
angezettelt von Monarchen in skurrilen Operettenuniformen, der zumal
jungen Menschen heute unendlich fern scheinen muss. Haben wir im 21.
Jahrhundert, der Ära von Globalisierung und Digitalisierung, denn
nichts Besseres zu tun, als in den Rückspiegel zu schauen? Nein. Denn
was wir dort sehen, spiegelt die mehr...
- Allg. Zeitung Mainz: Taube Ohren // Frank Schmidt-Wyk zum Gedenken an das Weltkriegsende Mainz (ots) - Im Januar 1918 - elf Monate vor Ende des Ersten
Weltkriegs - entwarf der amerikanische Präsident Woodrow Wilson in
den berühmten "14 Punkten" eine europäische Friedensordnung. Zu
Wilsons Postulaten gehörten die Abschaffung der Geheimdiplomatie und
von Handelsschranken, der Abbau der Rüstungsausgaben sowie die
Gründung eines "allgemeinen Verbands der Nationen", wie er mit dem
Völkerbund, dem Vorläufer der Vereinten Nationen, 1920 dann
tatsächlich erstmals in der Weltgeschichte tagte. Hundert Jahre
später steht Wilsons mehr...
- Neue Westfälische (Bielefeld): Tausende Demonstranten gegen Nazis in Bielefeld
Starke Demokraten
Thomas Seim Bielefeld (ots) - Man muss, nein, man will Bielefeld und
Ostwestfalen-Lippe gratulieren. Der Auftritt von über 6.000
Demonstranten gegen die rechtsradikalen Anti-Demokraten der Partei
"Die Rechte NRW" war ein sehr beeindruckendes Bekenntnis zur
Demokratie. Diese mehr als 6.000 Menschen sind Deutschlands wahre
Patrioten. Sie treten ein für Demokratie und Recht. Sie sind es, die
Bundespräsident Steinmeier in seiner Rede zum 100. Jahrestag der
Novemberrevolution 1918 meinte. Auf ihnen gründet der demokratische
Patriotismus. Auf sie mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|