Mittelbayerische Zeitung: K(l)eine Zeitenwende in der CDU / Mit Annegret Kramp-Karrenbauer bleibt die CDU auf einem Kurs der Mitte. Den Verlust des Kanzleramts hat Angela Merkel nicht zu befürchten. V
Geschrieben am 07-12-2018 |
Regensburg (ots) - War da was in der CDU? Eine Revolte gegen die
Kanzlerin und Langzeitvorsitzende Angela Merkel würde es geben. Von
später Rache des einst von ihr aufs Abstellgleis gehievten Friedrich
Merz war gar die Rede. Zumindest aber eine Zeitenwende, einen
Strategiewechsel würde es mit dem Hamburger Parteitag geben. Doch
nach der - wenn auch äußerst knappen - Wahl von Annegret
Kramp-Karrenbauer zu Merkels Nachfolgerin an der Parteispitze, muss
man nüchtern konstatieren: In der CDU fand lediglich eine kleine
Zeitenwende, eine kleine personelle Veränderung statt. Tiefe
personelle Einschnitte und politisch-programmatische
Richtungsänderungen sind nicht Sache der einzigen verbliebene
Volkspartei Deutschlands. AKK steht im Grunde für die Fortsetzung von
Merkels Politik unter anderem Namen. Auch wenn sie sich emsig von
ihrer großen Gönnerin zu emanzipieren versucht. Merkel wiederum hat
von AKK nicht zu befürchten, dass die ihr das Kanzleramt streitig
machen würde. Man kann die gestrige Personal-Entscheidung des
Parteikongresses langweilig, wenig ambitioniert oder mutlos nennen.
Allerdings zeigt schon ein Blick über den deutschen Tellerrand
hinaus, um wie viel wichtiger etwas anderes ist als fragwürdige
politische Experimente: Stabilität und Berechenbarkeit nämlich. In
vielen europäischen Ländern verschwanden die christlichen
Schwesterparteien der CDU nahezu in der Bedeutungslosigkeit. Angela
Merkel hatte einst die tief im Spendensumpf gefangene CDU Helmut
Kohls wieder zu einer Regierungspartei gemacht. Unter ihrer Führung
sind die deutschen Christdemokraten Regierungs- und Volkspartei
geblieben. Das war alles andere als selbstverständlich. Mit ihrer
ziemlich einsamen Flüchtlingspolitik des Jahres 2015 hat Merkel
allerdings ihrer Partei und auch dem Land eine Zerreißprobe beschert.
Und das wirkt bis heute nach. Rechts von der Union gab es plötzlich
viel Platz für Unzufriedenheit, für Ängste, für Fragen - und auch für
populistische Parolen, halbgare Antworten und Stimmungsmacher. Obwohl
Merkel ihre Politik der offenen Arme gegenüber Flüchtlingen längst
mehrfach und deutlich verändert hat, bleibt es dabei, dass sie der
AfD eine breite offene Flanke geboten hat, in die die
Rechtspopulisten lustvoll eingefallen sind. Noch dazu kam es zum
bitteren Streit unter den Schwesterparteien CDU und CSU, der fast zum
Bruch der Union geführt hätte. Nicht nur Horst Seehofer, sondern auch
viele andere Christsoziale machten Merkels liberale
Flüchtlingspolitik nicht mit, sondern sehen darin gar die Mutter
allen politischen Übels, was freilich stark übertrieben ist. Für die
neu gewählte CDU-Vorsitzende Kramp-Karrenbauer ist die Aufgabe nach
dem Hamburger Parteitag alles andere als einfach. Die Partei ist,
allen Beschwörungen zur Einheit zum Trotz, tief gespalten. Das
Kunststück für AKK besteht nun darin, die weiten Teile der Partei,
die sie nicht gewählt haben, die verprellten Merz- und
Spahn-Anhänger, die Gegner von Merkels Flüchtlingspolitik, die
Wirtschaftsliberalen und die junge Generation einzubinden in die
Nach-Merkel-CDU. Eine Abspaltung dieser Flügel und verschiedenen
Gruppen ist zwar nicht zu erwarten, es wäre aber auch nicht völlig
undenkbar - und würde die CDU, die gesamte Union extrem schwächen.
Und natürlich steht vor einer CDU-Vorsitzenden immer auch die
Aufgabe, sich für die Übernahme der Kanzlerschaft zu rüsten. Bereits
die nächsten Wahlkämpfe für die Landtagswahlen im nächsten Jahr gehen
auf das Konto der neuen CDU-Chefin. So oder so. Nicht ganz
auszuschließen ist es deshalb, dass Angela Merkel ihre Kanzlerschaft
doch vorzeitig an AKK übergibt.
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Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
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