Mittelbayerische Zeitung: Absolution für Draghi / Der Europäische Gerichtshof segnet die lockere Geldpolitik der Euro-Währungshüter ab. Auch die deutschen Sparer sind die Dummen.
Geschrieben am 11-12-2018 |
Regensburg (ots) - Mit drei Worten leitete der Chef der
Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, Ende Juli 2012 gewissermaßen
die Wende in der Euro-Rettung ein. Im Londoner Lancaster House
erklärte der Italiener: "Whatever it takes" - Was immer nötig sein
wird, um die Gemeinschaftswährung, vor allem die extrem krisenhaften
Staatsfinanzen von Griechenland, Irland und Portugal, zu retten,
würde die Euro-Bank in Frankfurt/Main unternehmen. Mit der Bazooka -
eigentlich eine Panzerbüchse - würde die EZB Geld in die Märkte
schießen und Staatsanleihen aufkaufen. Gestern hat der Europäische
Gerichtshof dieser lockeren und zugleich höchst umstrittenen
Geldpolitik des Katholiken Draghis sozusagen die Absolution erteilt.
Für Normalbürger unvorstellbare 2,6 Billionen Euro wurden für den
Kauf von Staats- und seit 2016 auch Unternehmensanleihen in den Markt
gepumpt. Zugleich senkte die EZB dramatisch die Zinsen. Die Folgen
dieser finanzpolitischen Mega-Operation indes sind zwiespältig.
Einerseits konnte die Gemeinschaftswährung stabilisiert werden.
Krisenländer wie Irland und Portugal konnten inzwischen den
Rettungsschirm verlassen, den die anderen Euro-Länder aufgespannt
hatten. Sogar Griechenland befindet sich nach einer opferreichen
Rosskur auf dem Weg der finanziellen Gesundung. Wirtschaften und
Banken der Länder im Süden Europas sind nicht zusammengebrochen. Es
gab genügend Geld, um Nachfrage und Investitionen anzukurbeln. Aber
auch starke Volkswirtschaften, wie die Exportnation Deutschland,
haben vom billigen Geld der EZB enorm profitiert. Der deutsche Staat
konnte wegen der extrem niedrigen Zinsen auf den Kapitalmärkten in
den vergangenen zehn Jahren fast 300 Milliarden Euro an Zinsausgaben
sparen. Das entspricht, nur mal zum Vergleich, fast einem gesamten
Bundeshaushalt. Die "schwarze Null", die seit einigen Jahren von der
Bundesregierung wie eine Großtat gefeiert wird, hat in Wirklichkeit
auch mit Draghis Politik der geöffneten Geldschleusen zu tun. Aber
natürlich hat die Bazooka-Politik der EZB andererseits auch
dramatische Nebenwirkungen. Und die zahlen vor allem die Sparer in
Deutschland und den anderen Euro-Ländern. Die Guthaben der Bürger bei
den Banken werfen kaum noch Rendite ab. Und ihre Versicherungen haben
es schwer, überhaupt noch die Garantiesummen zu erwirtschaften.
Private Altersvorsorge ist zu einem riskanten Unterfangen verkommen.
Zur Wahrheit gehört leider auch, dass nicht der deutsche Staat,
sondern die Sparer und Anleger indirekt für die Rettung
überschuldeter Staaten und maroder Banken in Südeuropa zur Kasse
gebeten wurden. Die Kläger - etwa CSU-Urgestein Peter Gauweiler oder
die ehemaligen AfD-Leute Bernd Lucke und Hans-Olaf Henkel - sind vom
Richterspruch zu Recht enttäuscht. Der EuGH hat, anders als etwa das
Bundesverfassungsgericht, keine Probleme mit der lockeren Geldpolitik
der Euro-Bank. Die Luxemburger Richter haben ganz im Sinne der EZB,
nicht aber der Bürger, nicht der Sparer und Anleger entschieden. Die
europäischen Verträge und die Unabhängigkeit der EZB wurden sehr,
sehr weit ausgelegt. Und dem Bundesverfassungsgericht beschert der
Richterspruch aus Luxemburg nun obendrein die knifflige Aufgabe, im
Sinne des EuGH-Urteils abschließend über die Klagen aus Deutschland
zu befinden. Weil den Karlsruher Richtern die milliardenschweren
Anleiheankäufe höchst fragwürdig waren, hatten sie die Klagen ja
überhaupt erst an den EuGH weitergereicht. Nun haben sie den Salat.
Nicht einmal zu ein paar allgemeinen rechtlichen Schranken für die
Anleihekäufe konnte sich der EuGH durchringen. Das ist weniger als
Karlsruhe - und erst recht die Kläger - erwartet hatten.
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