Börsen-Zeitung: Kein Denkzettel für Sewing,
Kommentar zur Deutschen Bank von Anna Sleegers
Geschrieben am 06-05-2019 |
Frankfurt (ots) - Wer der Deutschen Bank als Aktionär die Treue
hält, verfügt über ein Übermaß an Leidensfähigkeit oder ist ein
treuer Anhänger des Börsengurus André Kostolany. Dessen Rat, Aktien
zu kaufen, Schlaftabletten zu nehmen und die Papiere nicht mehr
anzuschauen, hat sich in diesem Fall jedoch nicht bewährt. Anleger,
die sich vor zehn Jahren Aktien der Deutschen Bank ins Depot legten,
sind damit nicht reich geworden. Vielmehr haben sie gut drei Viertel
des eingesetzten Kapitals verbrannt. Wer später einstieg, hat zwar
nicht ganz so dramatische Verluste zu beklagen. Ein Schnitt war
jedoch nicht zu machen, denn noch nie war die Aktie so billig wie
heute.
Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass den Aktionären
allmählich der Geduldsfaden zu reißen droht. Der einflussreiche
US-Stimmrechtsberater Glass Lewis empfiehlt den Aktionären erneut,
Vorstand und Aufsichtsrat der Deutschen Bank zumindest nicht en bloc
zu entlasten. Auch sein in den Empfehlungen unabhängiger deutscher
Ableger Ivox hat Bedenken angemeldet. Nimmt in diesem Jahr erstmals
auch der US-Wettbewerber Institutional Shareholder Services (ISS)
seine schützende Hand von den Führungs- und Kontrollgremien des
Instituts, könnte es für die Deutsche Bank eng werden auf der
Hauptversammlung am 23. Mai in Frankfurt. Gut ein Jahr nach seinem
holprigen Amtsantritt könnte Vorstandschef Christian Sewing den
Negativrekord seiner Vorvorgänger Jürgen Fitschen und Anshu Jain
brechen, die 2015 mit einer bis dato ungekannt dünnen Mehrheit von 61
Prozent entlastet wurden.
Die Aktionärsversammlungen von UBS und von Bayer haben zuletzt
gezeigt, dass eine Nichtentlastung für immer mehr Aktionäre kein Tabu
mehr ist. Dies mag im Einzelfall hilfreich sein, um sich für die
Teilnahme an Sammelklagen auf Schadenersatz zu qualifizieren.
Wichtiger dürfte für viele jedoch der Wunsch sein, den Managern einen
Denkzettel zu verpassen.
Ob Sewing diesen verdient hat, darf angesichts der Kürze seiner
Amtszeit und der noch immer übergroßen Macht der Investmentbanker
bezweifelt werden. Ein Jahr ist zu kurz, um mit einem derart
angeschlagenen Institut die Ertragswende zu schaffen.
Wer Sewing das zutraut, sollte sich vor allem Gedanken über einen
Denkzettel für den Aufsichtsrat machen. Äußerungen in jüngsten
Interviews legen den Schluss nahe, dass es vor allem der
Chefkontrolleur Paul Achleitner ist, der bei dem offensichtlich
erforderlichen Rückbau des chronisch defizitären Investment Bankings
auf der Bremse steht.
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