BERLINER MORGENPOST: Schlechtes Signal / Leitartikel von Theresa Martus zur Digitalisierung in Schulen
Geschrieben am 06-05-2019 |
Berlin (ots) - Kurzform: Wenn es im bisherigen Tempo weitergeht,
werde es 2034 sein, bis es an allen Schulen Klassensätze mit
Endgeräten für die Schüler gibt, sagt der Lehrerverband VBE. Da
werden dann Kinder ihren Abschluss haben, die jetzt noch nicht ihren
Namen schreiben können, und sie werden sich auf Berufe vorbereiten,
von denen wir einige jetzt noch nicht kennen. Wenn Bildungspolitik
eine Chance haben will, diese Kinder darauf vorzubereiten, dann
braucht sie mehr als ein starkes Wlan-Signal und ein paar Tablets.
Aber das ist das Mindeste.
Der vollständige Leitartikel: Bevor es losgeht mit diesem
Kommentar, werfen Sie doch bitte noch einmal einen kurzen Blick auf
den Kalender oder das Datum, das oben rechts auf dieser Seite steht:
Es ist das Jahr 2019. Man muss das betonen, weil es wichtig ist für
die Einordnung der folgenden Nachricht: Ein Drittel der Schulen in
Deutschland hat schnelles Internet. Genauso viele haben genügend
Endgeräte, also Computer oder Tablets, für wenigstens eine Klasse.
Der Rest hat Tageslichtprojektoren, Kreidetafeln und "Keine Handys im
Klassenzimmer"-Regeln. Schultore sind die wahrscheinlich am weitesten
verbreitete Form von Zeitreiseportalen. Es gibt eine Reihe von
Adjektiven, mit denen man diesen Zustand beschreiben kann. "Peinlich"
drängt sich auf, "fahrlässig" auch, für ein Land, das stolz ist auf
seine Innovationskraft und den Anspruch hat, bei Forschung und
Zukunftstechnologien vorne mitzuspielen. Zwar erhöht sich seit Jahren
stetig die Frequenz, mit der die Digitalisierung der Bildung in
politischen Sonntagsreden als Schlüsselfrage besungen wird. Aber im
Alltag an vielen Schulen, im tatsächlichen Einsatz von Ressourcen
spiegelt sich das kaum wieder. Viele Eltern, Lehrer und Schüler
werden an dieser Stelle zu Recht einwenden, dass schnelles Internet
nicht die einzige Ausstattungslücke vieler Schulen ist und dass sie
sich über funktionierende, nicht-ekelhafte Schultoiletten auch sehr
freuen würden. Dabei sollte das überhaupt kein Gegensatz sein. Denn
Zugang zum größten Informationsnetz der Erde muss - rund 30 Jahre
nach dessen Erfindung - genauso zur Grundausstattung von Schulen
gehören wie funktionierende Sanitäranlagen. Das heißt nicht, dass ein
Smartboard an der Wand und ein Satz Laptops im Klassenschrank aus
allen Mädchen und Jungen Code-Wunderkinder und zukünftige
Start-up-Gründer machen. Es heißt auch nicht, dass jede
Unterrichtsstunde digital sein muss. Im Gegenteil, viele Inhalte
erfordern, dass Kinder und Jugendliche sich für einen Moment
abkoppeln von der 24-Stunden-Aufmerksamkeitsmaschine in ihrer
Hosentasche und zurückgeworfen sind auf ihre eigenen Fähigkeiten.
Aber Lehrer müssen die Wahl haben, wann sie auf die gar nicht mehr so
neuen Medien setzen und wann auf Digital-Unterricht. Und sie brauchen
den Überblick, diese Entscheidung informiert treffen zu können.
Digitalisierung ist vor allem ein Kulturwandel. Aber das ist nichts,
was in den analogen Schulalltag nebenbei mit zwei Stunden Schulung
nach der letzten Stunde eingeflochten werden kann. Schule hat nicht
nur die Aufgabe, Lesen, Schreiben, Fremdsprachen und grundlegende
Kenntnisse in Geografie und Naturwissenschaften zu vermitteln.
"Bildung" als Aufgabenbeschreibung heißt: Jugendliche am Ende der
Schullaufbahn im Idealfall so in die Welt zu schicken, dass sie
mitreden können und wollen. Dass sie eine Vorstellung davon haben,
wie sie leben wollen und wie sie dahin kommen. Wie soll das
funktionieren, wenn in Schulen so getan wird, als hätte die
wichtigste gesellschaftliche Umwälzung der vergangenen Jahrzehnte
nie stattgefunden? Wenn es im bisherigen Tempo weitergeht, werde es
2034 sein, bis es an allen Schulen Klassensätze mit Endgeräten für
die Schüler gibt, sagt der Lehrerverband VBE. Da werden dann Kinder
ihren Abschluss haben, die jetzt noch nicht ihren Namen schreiben
können, und sie werden sich auf Berufe vorbereiten, von denen wir
einige jetzt noch nicht kennen. Wenn Bildungspolitik eine Chance
haben will, diese Kinder darauf vorzubereiten, dann braucht sie mehr
als ein starkes Wlan-Signal und ein paar Tablets. Aber das ist das
Mindeste.
Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Telefon: 030/887277 - 878
bmcvd@morgenpost.de
Original-Content von: BERLINER MORGENPOST, übermittelt durch news aktuell
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
685091
weitere Artikel:
- Westfalen-Blatt: ein Kommentar zur Digitalisierung in den Schulen Bielefeld (ots) - Mit Blick auf die Digitalisierung hinken die
Schulen in Nordrhein-Westfalen dem Bundesschnitt hinterher. Kaum zu
glauben: Laut einer Umfrage hat an jeder zweiten der in NRW befragten
Schulen gar keine Lehrkraft einen Dienst-Computer. Es steht außer
Frage, dass hier dringend nachgebessert werden muss. Viele Lehrer in
NRW sind es seit langem gewohnt, improvisieren zu müssen. Guten
Unterricht mit unzureichenden Mitteln zu machen, ist so etwas wie
ihre Paradedisziplin geworden. Aber auch die kreativsten Pädagoginnen
und mehr...
- Westfalen-Blatt: ein Kommentar zu Mehrehen Bielefeld (ots) - Man fragt sich, was Katarina Barley dazu
gebracht haben könnte. Warum hat ihr Justizministerium aus einem
Gesetzentwurf des Innenministeriums den Passus gestrichen, dass
Ausländer, die in einer Mehrehe leben, nicht eingebürgert werden
dürfen? Es ist ja für sich schon ein Unding, dass unser Staat - also
Politik und Behörden - muslimische Polygamie duldet. Nämlich dann,
wenn solche Mehrehen vor der Einreise nach Deutschland Bestand gehabt
haben oder in Deutschland vor einem Imam geschlossen worden sind. Und
es ist mehr...
- Linken-Chefin Kipping: Soziale Verbesserungen zur Not auch mit Generalstreik durchsetzen Bonn (ots) - Die Äußerungen von Juso-Chef Kevin Kühnert zu
Sozialismus und Verstaatlichungen schlagen in der öffentlichen
Diskussion nach wie vor hohe Wellen. "Ich freue mich über diese
gesellschaftliche Debatte. Wir müssen uns endlich mit der Form
unseres Wirtschaftens auseinandersetzen", meinte Linken-Vorsitzende
Katja Kipping bei phoenix (Montag, 06. Mai). Was Kühnert angestoßen
habe, stehe in einer langen linken Tradition, nämlich die Frage zu
stellen, wer wirklich Werte schaffe. So sei beispielsweise die
massenweise Privatisierung mehr...
- Rheinische Post: FDP warnt vor Klimafolgen der Ackerland-Verlagerung in die Dritte Welt Düsseldorf (ots) - Das Ackerland in Deutschland ist seit der
Wiedervereinigung um 451.000 Hektar geschrumpft. Das geht nach einem
Bericht der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Dienstag) aus der
Antwort der Bundesregierung auf Anfrage der FDP hervor. Im selben
Zeitraum sei die Ackerfläche in Afrika um 68 Millionen Hektar
gewachsen. Nach Einschätzung der FDP steckt dahinter eine fatale
Entwicklung für das Weltklima. "Die Agrarindustrie in den
Dritte-Welt-Staaten ist der größte Zerstörer des Waldes", sagte
FDP-Entwicklungsexperte Christoph mehr...
- Rheinische Post: NRW-Wirtschaftsminister Pinkwart will CO2-Zertifikate für Verkehr und Heizungsmarkt und dafür Stromsteuer abschaffen Düsseldorf (ots) - Der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister
Andreas Pinkwart (FDP) schlägt CO2-Zertifikate auch für die
Wirtschaftssektoren Verkehr und Heizungsmarkt vor. "So können wir die
Mengen an CO2-Ausstoß exakt steuern und die Anpassungen der Akteure
dem Markt überlassen", sagte der Minister der Düsseldorfer
"Rheinischen Post" (Dienstag). Eine CO2-Steuer und neue
Klima-Regulierungen lehnt der FDP-Politiker ab. "Wir dürfen den
Klimaschutz nicht  wie Umweltministerin Schulze
planwirtschaftlich organisieren, sondern mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|