NDR: Anwalt will Rückkehr von zwei deutschen IS-Kindern nach Deutschland erzwingen
Geschrieben am 14-05-2019 |
Hamburg (ots) - Die Bundesregierung gerät im Zusammenhang mit den
auf syrischem Boden inhaftierten deutschen IS-Kämpfern und ihren
Familien unter juristischen Druck. Nach Informationen von NDR, WDR
und "Süddeutscher Zeitung" soll mit Hilfe des Verwaltungsgerichts in
Berlin erstmals eine Rückkehr nach Deutschland gerichtlich erzwungen
werden.
Einen entsprechenden Antrag reichte jetzt der Hannoveraner
Rechtsanwalt Dirk Schoenian ein. Er vertritt zwei Waisenmädchen, die
sich im Flüchtlingslager Al-Haul im Norden Syriens befinden. Ihre
Mutter, eine aus Baden-Württemberg stammende IS-Anhängerin, soll bei
den Kämpfen um die letzte IS-Bastion in Baghouz ums Leben gekommen
sein. Eines der Mädchen ist vier Jahre alt, das andere knapp zwei.
Unter Hinweis auf "unmittelbar lebensbedrohende" Umstände in dem Camp
will der Anwalt eine konsularische Betreuung durch das Auswärtige Amt
und die Rückholung nach Deutschland erzwingen. Auch das Rote Kreuz
hat die Zustände in dem Camp zuletzt als unhaltbar und kritisch
bezeichnet. Das Verwaltungsgericht in Berlin soll das Auswärtige Amt
jetzt per Einstweiliger Anordnung zum Handeln verpflichten.
Seit Monaten hatte der Anwalt bereits beim Auswärtigen Amt in
diesem und anderen Fällen interveniert. Das Amt erwiderte, man könne
auf syrischem Boden keine konsularische Hilfe leisten, nachdem die
deutsche Botschaft in Damaskus bereits vor Jahren geschlossen worden
sei. Gemeinsam mit "Partnern" kläre man aber "mögliche Optionen, um
deutschen Staatsangehörigen, auch in humanitären Fällen, eine
Rückführung nach Deutschland zu ermöglichen." In der Bundesregierung
wird erwartet, dass es zahlreiche weitere Klagen von Familien geben
wird.
Deutschland hat, wie zahlreiche andere EU-Partner, bisher keine
abschließende Entscheidung getroffen, was mit den tausenden
europäischen IS-Kämpfern und ihren Familien geschehen soll. Zumeist
wird ihre sofortige Rückkehr aus Sicherheitsgründen abgelehnt.
Russland, Albanien, Kosovo und andere Staaten haben sich entschieden,
ihre Staatsbürger zurückzunehmen. Darauf drängen auch die kurdische
YPG und US-Präsident Donald Trump. Mit Hilfe des US-Militärs wurden
Ende April 110 Kosovaren in ihre Heimat ausgeflogen, unter ihnen 74
Kinder. Die schwedische Regierung ließ gerade erst sieben
Waisenkinder abholen - und verwies auf ihre humanitäre Verpflichtung.
Die Zahl der deutschen Kinder im ehemaligen IS-Gebiet wird auf 200
bis 300 geschätzt.
Die irakische Regierung hat der Bundesregierung und zahlreichen
anderen Staaten inzwischen Hilfe bei der Lösung ihres
Dschihadisten-Problems angeboten. Danach könnten zumindest die
ausländischen Kämpfer aus den syrischen Lagern in den Irak gebracht
und dort vor Gericht gestellt werden. Voraussetzung hierfür sei laut
einer von der deutschen Botschaft in Bagdad nach Berlin übermittelten
Liste von Forderungen der Iraker eine einmalige Zahlung von 10
Millionen US-Dollar für jeden Verdächtigen. Hinzu kämen 100 Millionen
Dollar für den Bau eines Gefängnisses und eines Gerichtsgebäudes.
Auch die laufenden Kosten für Richter, Wachen und medizinische
Versorgung müssten in dem Fall die Deutschen begleichen. Eine
Zusicherung, von der Verhängung und Vollstreckung der Todesstrafe
abzusehen, wollen die Iraker nicht geben. Stattdessen verlangen sie,
dass die Deutschen auf ihr Recht zur konsularischen Betreuung
verzichten und ihr Land vor möglicher Kritik schützen. Im Fall einer
"Intervention oder eines Einspruchs" müssten die Kämpfer sofort
zurückgenommen werden.
In der Bundesregierung gelten die Forderungen als nicht
akzeptabel. Schon der fehlende Verzicht auf die Verhängung der
Todesstrafe mache dies "unmöglich", hieß es. Der irakische
Botschafter in Deutschland, Dhia Al-Dabbass sagte SZ, NDR und WDR,
man müsse "der irakischen Justiz die Entscheidung überlassen." Alle
europäischen Länder "befürchten die Gefahr, wenn diese Kämpfer zurück
in ihre Heimatländer gehen", erklärte der Botschafter. "Deshalb
glauben wir, dass die europäischen Länder positiv reagieren auf
unsere Forderungen."
Pressekontakt:
Norddeutscher Rundfunk
Presse und Information
Yannick Christmann
Tel.: 040/4156-2312
Mail: y.christmann@ndr.de
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