Allg. Zeitung Mainz: Trauer und Wut / Kommentar von Friedrich Roeingh zum Tod eines Jungen am Frankfurter Bahnhof
Geschrieben am 29-07-2019 |
Mainz (ots) - Was für ein Schicksal, was für eine Tat. Wenn Eltern
ihr Kind verlieren, ist das Leid stets unermesslich. Wenn dieses Kind
mit seiner Mutter mutwillig vor einen Zug gestoßen wird und nur die
Mutter ihr Leben retten kann: Wie soll sie, wie soll ihre Familie
jemals über dieses Grauen hingekommen? Nie. In diesem Sinn hat der
Täter von Frankfurt mindestens zwei Menschenleben ausgelöscht.
Trauer, stille Anteilnahme, ja auch innere Wut sind Reaktionen, denen
sich niemand entziehen kann. Das Gegenteil von Anteilnahme aber ist
der Hass, der sich sogleich in den sozialen Medien breitmacht. Das
Gegenteil ist auch die Instrumentalisierung, mit denen sich Rassisten
und auch Rechtspopulisten dieses Schicksals bemächtigen wollen. Eine
Verhöhnung der Opfer. Eine Einschätzung, die wohl leider nicht auf so
breite Zustimmung stoßen wird wie die Zeilen zuvor. Sie bedeutet
übrigens nicht, dass der Hintergrund des Täters, ein gebürtiger
Eritreer, nicht beleuchtet werden muss. Und natürlich können wir
nicht ausblenden, dass uns innerhalb weniger Tage zwei gleichartige
Tötungen unschuldiger Menschen erschüttern. Und doch rechtfertigen
Trauer und Wut keine Schuldzuweisungen an die Migranten, die
Flüchtlinge oder andere Gruppen. So wenig wie der Iraker, der den
mutmaßlichen Mörder im niederrheinischen Voerde überwältigt und
festgehalten hat, mit seinem Eingreifen die Ehre der Flüchtlinge
hätte retten wollen oder retten können. Die Ermittlungsbehörden
müssen alles daran setzen, die verabscheuungswürdigen Taten
aufzuklären. Und die Gerichte haben Recht zu sprechen. Das Leid der
Opfer aber lässt sich nicht teilen - schon gar nicht auf Facebook.
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