BERLINER MORGENPOST: Richtige Entscheidung / Michael Backfisch zur Vergabe des Friedensnobelpreises
Geschrieben am 11-10-2019 |
Berlin (ots) - Gefühlt die halbe Menschheit hat der schwedischen
Klimaschützerin Greta Thunberg die Daumen für den Friedensnobelpreis
gedrückt. Doch viele haben die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen
und gefleht: Hoffentlich bekommt sie ihn nicht.
Die 16-Jährige hat die Auszeichnung zu Recht nicht erhalten - aus
mehreren Gründen. Laut dem Testament des Stifters Alfred Nobel soll
gewürdigt werden, wer "am besten für die Verbrüderung der Völker" und
"die Abschaffung oder Verminderung der stehenden Heere" gewirkt hat.
Diese Kriterien treffen auf Greta Thunberg nicht zu. Die
Umweltaktivistin hat weder einen Beitrag zur Lösung der Konflikte in
Syrien, am Persischen Golf oder im Jemen geliefert, noch hat sie
einen anderen politischen Spannungsherd abgemildert.
Was man Greta Thunberg zugutehalten muss: Sie ist ein Katalysator
für weltweite Diskussionen über Klimapolitik. Sie hat an vielen Orten
das Bewusstsein für die Dringlichkeit der Begrenzung von
Treibhausgasen geschärft. Und sie hat die Defizite des klassischen
Politikbetriebes offengelegt. Missionarischer Eifer - und sei er auch
für eine noch so gute Sache - ersetzt aber nicht das mühsame
politische Ringen zwischen Washington, Rio, Neu-Delhi und Peking.
Vor diesem Hintergrund ist der Friedensnobelpreis für den
äthiopischen Ministerpräsidenten Abiy Ahmed eine nachvollziehbare
Entscheidung. In Afrika sind autokratische Regime, korrupte
Gesellschaften und Bürgerkriege der Normalzustand. Abiy hat
umfassende Reformen im Osten des Kontinents in Angriff genommen. Er
löste Schritt für Schritt die Fesseln in dem Vielvölkerstaat, der
jahrelang mit harter Hand geführt worden war. Der 43-jährige
Regierungschef beendete den Ausnahmezustand, ließ politische
Gefangene frei, strich Oppositionsgruppen von der Terrorliste und
liberalisierte die Wirtschaft.
Ein außenpolitisches Meisterstück ist der Abschluss des
Friedensvertrags mit dem Nachbarstaat Eritrea im Juli 2018. Beide
Länder, die in einen blutigen Grenzkrieg mit rund 70.000 Toten
verstrickt waren, reichten sich die Hand. Die Symbolkraft dieser
historischen Versöhnung reicht über Äthiopien und Eritrea hinaus.
Abiys Kurs des Ausgleichs sorgte im krisengeschüttelten Sudan
zumindest für eine Stabilisierung.
Das Nobelkomitee hat den politischen Mut Abiys anerkannt. Die
Messlatte für den Preis war in der Vergangenheit nicht immer
erkennbar. So haben sich die Juroren zuweilen von einer hohen
Erwartungshaltung mitreißen lassen. Bei der Verleihung des Preises an
den frischgebackenen US-Präsidenten Barack Obama 2009 etwa waren
viele Vorschusslorbeeren im Spiel. Nach der Militarisierung der
amerikanischen Außenpolitik unter George W. Bush wurde Obama zur
riesigen Projektionsfläche für Sehnsüchte. Am Ende stand oft
Desillusionierung.
Auch bei der Auszeichnung der 17-jährigen pakistanischen Schülerin
und Kinderrechtsaktivistin Malala Yousafzai 2014 ließ sich das
Nobelkomitee von Illusionen leiten: Man sah in dem Mädchen, das den
islamistischen Talibanmilizen im Kampf für Bildung die Stirn geboten
hatte, ein Vorbild für die Dritte Welt. Doch Malalas Heimatland
Afghanistan versinkt heute wieder im Chaos von Warlords, Clans und
Korruption.
Der äthiopische Premier Abiy Ahmed hat ein Werk begonnen, das noch
lange nicht zu Ende ist. Politische Widerstände, ethnische Spannungen
und die Obstruktion der Kräfte, die sich die alte Ordnung
zurückwünschen, werden ihm das Leben schwer machen. Aber der
Friedensnobelpreis will ein Zeichen setzen. In einer Welt, in der es
von Gewalt, Kriegen und Autokraten wimmelt, gibt es Hoffnung - ein
bisschen zumindest
Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Telefon: 030/887277 - 878
bmcvd@morgenpost.de
Original-Content von: BERLINER MORGENPOST, übermittelt durch news aktuell
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
705871
weitere Artikel:
- BERLINER MORGENPOST: Ohne Uniform zum Erfolg / Kommentar von Nina Kugler Berlin (ots) - Eine Uniform ist immer auch ein Zeichen von
Staatsgewalt. Stehen beispielsweise Polizisten an einer Kreuzung,
geht kaum jemand bei Rot über die Straße. Ist die Ecke aber
unbewacht, laufen viele einfach los. Das Gleiche gilt auch fürs
Ordnungsamt: Erkennen Müllsünder die Streife, werfen sie ihren Abfall
nicht einfach weg. Aber Berlins Straßen sind trotzdem stellenweise
regelrecht zugemüllt. "Müll-Hotspots" werden jene Ecken genannt, von
denen die Bezirke ganz genau wissen, dass hier besonders oft Müll
illegal abgeladen mehr...
- Neue Westfälische (Bielefeld): Friedensnobelpreis
Weise Entscheidung
Carsten Heil Bielefeld (ots) - Nein, es ist nicht alles gut in Äthiopien.
Armut, hohe Arbeitslosigkeit, Korruption und zahlreiche ethnische
Konflikte bestimmen den Alltag. Das Land am Horn von Afrika mit 100
Millionen Einwohnern hat noch einen weiten Weg vor sich. Deshalb ist
es eine weise Entscheidung des Nobel-Komitees, dem äthiopischen
Ministerpräsidenten Abiy Ahmed den Friedensnobelpreis 2019 zu
verleihen. Die hohe Auszeichnung soll, wie schon häufiger in ihrer
Geschichte, einerseits bereits geleistete Friedensbemühungen
wertschätzen und mehr...
- Badische Zeitung: Nobelpreis für Abiy: Würdigung und Ermutigung /
Kommentar von Thomas Fricker Freiburg (ots) - Oft genug war das Preiskomitee in den
vergangenen Jahren außerdem der Versuchung erlegen, dem Zeitgeist
hinterherzuspüren und selbst Politik betreiben zu wollen. Ganz frei
von diesem Wunsch ist auch die Entscheidung für Abiy Ahmed sicher
nicht. Aber immerhin wird mit dem äthiopischen Ministerpräsidenten
ein Politiker geehrt, der angetreten ist, einen bitteren, über viele
Jahre auch kriegerisch ausgetragenen Konflikt mit dem Nachbarland
Eritrea zu befrieden. Nicht nur mit dieser Initiative verbreitet Abiy
Hoffnung mehr...
- Rheinische Post: Ministerpräsidenten rufen Bürger zur "Ächtung" des Rechtsextremismus auf Düsseldorf (ots) - Die Ministerpräsidenten von Hessen und
Niedersachsen, Volker Bouffier (CDU) und Stephan Weil (SPD), haben
die gesamte Gesellschaft nach dem Terroranschlag in Halle zum
stärkeren Widerstand gegen den zunehmenden Rechtsextremismus
aufgerufen. "Die Ächtung von rechtsextremer Gewalt und Hass im Netz
ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe", sagte Bouffier der
Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Samstag). "Wir brauchen einen
kulturellen Wandel. Wenn heute Kinder auf Schulhöfen mit ,Du Jude'
beschimpft werden oder ein mehr...
- Rheinische Post: Laschet verlangt Kohleausstiegsgesetz von Altmaier bis spätestens 20. November Düsseldorf (ots) - Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin
Laschet (CDU) hat Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU)
aufgefordert, das Kohleausstiegsgesetz spätestens bis 20. November
dem Bundeskabinett vorzulegen. "Das Kohleausstiegsgesetz muss
spätestens am 20. November im Kabinett sein, damit wir den
vereinbarten Zeitplan für den Ausstieg aus der Kohleverstromung
überhaupt noch einhalten können", sagte Laschet der Düsseldorfer
"Rheinischen Post" (Samstag). "Die Bundesregierung hat für das
Kohleausstiegsgesetz jetzt mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|