Westdeutsche Zeitung: Kommentar von Ekkehard Rüger zum Verpackungsmüll:
Der Preis des Wachstums
Geschrieben am 18-11-2019 |
Düsseldorf (ots) - Jahresberichte haben oft einen ähnlichen Effekt: Neue Zahlen
werden auf den Markt gespült, es gibt einige erwartbare Reaktionen, dann wird
das Thema entsorgt - bis zum nächsten Jahr. Wie viele Mahnungen, Appelle und
Forderungen hat das Thema Verpackungsmüll eigentlich schon erlebt? Mit dem
eindrucksvollen Ergebnis, dass der Pro-Kopf-Verbrauch ein neues Rekordniveau
erreicht hat.
Nur auf die Unternehmen zu schimpfen, die uns den Verpackungswahn zumuten,
greift jedenfalls zu kurz. Es sind auch wir Konsumenten, die sich diese Zumutung
weiter gefallen lassen. Oder die geschickte Wege finden, sich selbst zu
entlasten: ein bisschen Unverpackt-Konsequenz auf der einen Seite, dafür
gehobene Verpackungsansprüche auf der anderen. Die Erwartungen an die
Wiederverschließbarkeit oder Dosierfähigkeit von Verpackungen steigt - und damit
auch der Materialverbrauch.
Deutschland als einer der Verpackungs- und Recyclingweltmeister zugleich - ja,
das stimmt schon. Aber daraus wird kein Nullsummenspiel. Wenn all die
Nachhaltigkeits-Leitsätze in den Unternehmen und die privaten
Müllvermeidungsstrategien so wenig fruchten, stimmt etwas Grundsätzliches nicht.
Die Verpackungsdiskussion erinnert fatal an die Debatte um die
Verkehrsemissionen: Auch dort werden die Autos immer klima- und
umweltverträglicher, aber die schiere Zunahme der Pkw-Nutzung frisst diese
Erfolge wieder auf. Ähnlich verhält es sich bei den Verpackungen: Ihre Menge ist
auch ein Indikator für Wirtschaftswachstum - aber eines, das seinen Preis
hat. Kleine Erinnerung: Der weltweite Erdüberlastungstag, also der Tag, ab dem
rechnerisch mehr natürliche Ressourcen verbraucht werden, als im selben Jahr
nachwachsen können, lag 2019 auf dem 29. Juli - so früh wie noch nie. Nach
deutschen Maßstäben war er schon am 3. Mai erreicht.
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