Schreckensszenario Jalta 2.0 Eine global abgestimmte Anti-Krisen-Politik ist wichtig. Dass Wladimir Putin dafür der richtige Gastgeber ist, darf aber bezweifelt werden.Von Ulrich Krökel
Geschrieben am 09-02-2020 |
Regensburg (ots) - Der britische Kriegspremier Winston Churchill, US-Präsident
Franklin D. Roosevelt und Sowjetdiktator Josef Stalin sitzen einträchtig
nebeneinander auf einer Bank. Dahinter stehen hochrangige Militärs der drei
alliierten Mächte, die kurz davor sind, Nazi-Deutschland zu besiegen. Dieses
Bild, das vor 75 Jahren auf der Kriegskonferenz im Krim-Kurort Jalta entstand,
ist zu einer Ikone der Weltgeschichte geworden. Derzeit ist die Szene aber
wieder hochaktuell. Denn der russische Präsident Wladimir Putin plant eine Art
Neuauflage des Treffens, das am 11. Februar 1945 endete. Putin schwebt ein Jalta
2.0 vor, das diesmal allerdings im Mai stattfinden soll, zum Jahrestag der
deutschen Kapitulation. Außerdem sollen 2020 nicht nur Briten, Amerikaner und
Russen zusammensitzen, sondern auch Franzosen und Chinesen beteiligt werden.
Damit wären dann die fünf UN-Vetomächte am Start, die "eine besondere
Verantwortung für den Erhalt der menschlichen Zivilisation tragen". So erklärte
Putin seinen Plan Ende Januar. Tatsächlich scheint im Angesicht einer drohenden
Klimakatastrophe sowie anhaltender Kriege und Hungersnöte, die mit Flucht und
Vertreibung einhergehen, kaum etwas nötiger zu sein als eine global abgestimmte
Anti-Krisen-Politik. Allerdings sind Zweifel erlaubt, ob es Putin wirklich um
"die drängendsten Probleme der Menschheit" geht, wie er es formulierte. Man
braucht sich ja nur die russische Rolle auf den Schlachtfeldern in Syrien und
Libyen ins Gedächtnis zu rufen und vor allem den hybriden Krieg in der Ukraine,
der 2014 in der Eroberung der Krim gipfelte. Hinzu kommt, dass der Name Jalta in
vielen osteuropäischen Staaten zu Recht auf dem Index der Schreckenswörter
steht: als Synonym für eine Weltmachtpolitik auf Kosten kleinerer und
schwächerer Nationen. Denn Stalin, Roosevelt und Churchill debattierten 1945 auf
der Krim nicht nur über Deutschland, sondern auch über die Westverschiebung
Polens und die geopolitische Spaltung Europas in eine westliche und eine
sowjetische Einflusssphäre. Für Balten, Rumänen, Ungarn und Ukrainer waren die
Beschlüsse von Jalta gleichbedeutend mit dem Beginn einer Jahrzehnte währenden
Fremdherrschaft. In Hauptstädten wie Kiew, Tallinn, Riga und Vilnius ist das
Entsetzen über Putins neue alte Weltmachtpolitik entsprechend groß. Die
heftigste Empörung ist aber seit Wochen in Polen zu hören. Dort konzentriert
sich die Debatte aber stärker auf die unsägliche geschichtspolitische
Flankierung der geopolitischen Offensive des Kremls. Putin hatte sich zum
Jahreswechsel gleich mehrfach in einer Weise über den Hitler-Stalin-Pakt von
1939 geäußert, die nur als Relativierung der sowjetischen Rolle beim Ausbruch
des Zweiten Weltkriegs gewertet werden konnte. Indirekt gab er Polen sogar eine
Mitschuld an der militärischen Eskalation. Dagegen ist sich die überwältigende
Mehrheit der Historiker weltweit einig, dass Stalins Pakt mit Hitler den
deutschen Vernichtungskrieg im Osten entscheidend forcierte. Allerdings scheint
es Putin auch weniger darum zu gehen, Stalin reinzuwaschen. Angesichts der
Quellenlage wäre das auch unmöglich. Nein, im Zentrum der geschichtspolitischen
Offensive steht vielmehr die Gegenwart, frei nach der Devise: "Die Ausbootung
der Sowjetunion durch den Westen 1939 war von Übel. Jalta 1945 dagegen hat
funktioniert. Also lasst uns dort anknüpfen." Das wäre dann Jalta 2.0, in einem
erweiterten Format. Der französische Präsident Emmanuel Macron hat die Einladung
bereits angenommen. Die anderen überlegen noch. Sie sollten es lassen und sich
lieber in New York am UN-Tisch treffen.
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