(Registrieren)

Die politischen Lager in Deutschland stecken in einer Sackgasse.¶ Das Thüringen-Dilemma¶ Thomas Seim¶

Geschrieben am 09-02-2020

Bielefeld (ots) - Die AfD in Thüringen will nun plötzlich den Linken-Chef Bodo
Ramelow zum Ministerpräsidenten des Landes wählen. Ramelow wiederum sucht die
Unterstützung von Unionsabgeordneten, um nach dem Rückzug des FDP-Vorsitzenden
Thomas Kemmerich von diesem Amt, als Regierungschef gewählt zu werden.
Bundeskanzlerin Merkel ihrerseits greift von außen mit harter Hand in diese
Thüringen-Debatte ein und entlässt ihren Ost-Beauftragten. Zugleich aber erklärt
sie Ramelow per Telefon am Rande des Koalitionsgipfels, die Union könne keinen
Linken wählen. So relativiert sich Führung. Eine Erfahrung, die FDP-Chef
Christian Lindner schon gemacht hat. Der noch amtierende Vorsitzende der
Liberalen hat seine Partei so gut wie geschrottet. Er scheint überhaupt nur noch
im Amt zu sein, weil die auf ihn ausgerichtete FDP derzeit keine darstellbare
Alternative hat. Es dürfte kaum länger dauern als bis zur Hamburg-Wahl, dass
Lindner als FDP-Chef Geschichte ist. Was also nun? Man scheint nicht mehr recht
durchblicken zu können. Vieles spricht dafür, dass genau dies das Kalkül der AfD
um den zum Faschismus neigenden Björn Höcke im thüringischen Landtag ist. Beide
setzen auf das Chaos und befördern das politische Desaster bei den übrigen
politisch Handelnden. Das Dilemma ist, das eben diese Demokraten keine
gemeinsame und verantwortbare Antwort auf diese Herausforderung der Demokratie
finden. Es fehlt an Führung. In der Union wird beispielhaft deutlich, wie
schwierig die Trennung von Kanzlerschaft und Parteivorsitz ist. Angela Merkel
hat aus dem Ausland mit ein paar Anrufen und einem Krisengespräch in der Großen
Koalition mehr bewegt als Annegret Kramp-Karrenbauer in langen Debatten mit
Thüringer CDU-Abgeordneten im Landtag. Entscheidend vorangekommen ist die Lösung
für das Land deswegen gleichwohl erstmal nicht. Die Kanzlerin vermittelt ihrer
Umgebung immer stärker das Gefühl, dass sie bereits auf Weg aus dem Amt ist. Sie
sieht sich zwar noch bis zur Bundestagswahl Ende 2021 dort. Aber alle seit
langem schwelenden Fragen des künftigen Kurses der Partei bleiben vor diesem
Hintergrund ungeklärt. In der Union wird so die ungeklärte Führungs- und
Machtfrage um die Doppelspitze immer mehr zum Problem für die Partei. Eine
Lösung ist schwierig, auch weil es derzeit keine alternative Mehrheit zu einer
Kanzlerin Merkel zu geben scheint. Mit einem gewissen Neid blicken bereits viele
CDU-Funktionäre auf die Schwesterpartei in Wien. Dort sei es dem Bundeskanzler
Kurz gelungen, mit seinem schwarzgrünen "österreichischen Modell" eine Politik
auf einer leicht rechten Mitte zu beschreiben, die zugleich den Lager-Konflikt
zu den Grünen beherrschbar macht. Das zielt bereits auf den nächsten Wahlkampf
im Bund. Neuwahlen - 
das wird der 
Ausweg aus dem Dilemma sein
müssen Verschärft wird das Führungsdilemma der Union durch die unterschiedliche
Struktur der Partei in Ost und West und innerhalb des Ostens. So sehr in der
CDU-Spitze die Führungskraft Michael Kretschmers in Sachsen gefällt, so entsetzt
ist man dort über den egozentrischen, auch von eigenen Karrierezielen
gezeichneten Auftritt des Vorsitzenden Mike Mohring. So sehr die CDU-Spitze -
einschließlich der Kanzlerin - auf eine Lösung der Thüringen-Krise hofft, so
wenig beherrscht sie die Stimmungslage in Union und Unionsfraktion vor Ort, die
immer noch sehr stark bestimmt ist von den persönlichen Schicksalen der
Mitglieder in den Gefängnissen der SED. Das versperrt den Weg einer
Verständigung mit der Linkspartei über die Lösung der Krise. Das hat Merkel
Linksparteichef Bodo Ramelow klar gemacht. So verfahren ist die Lage. Sie wird
zur Zeit ausgenutzt von einem Landesverband der AfD, der zu den schlimmsten
Teilen dieser Partei gehört und von einem "blutvölkischen" Grundverständnis des
künftigen Deutschlands ausgeht. Neuwahlen - das wird der Ausweg aus diesem
thüringischen Dilemma sein müssen. Und zwar ohne Tricks und Machtspielchen der
demokratischen Parteien im dortigen Landtag. Vielleicht kann ja das
Österreich-Modell mit einem Verfassungsrichter als Übergangs-Ministerpräsident
in diesem Fall dabei tatsächlich Vorbild sein.⋌

Pressekontakt:

Neue Westfälische
News Desk
Telefon: 0521 555 271
nachrichten@neue-westfaelische.de

Weiteres Material: https://www.presseportal.de/pm/65487/4515485
OTS: Neue Westfälische (Bielefeld)

Original-Content von: Neue Westfälische (Bielefeld), übermittelt durch news aktuell


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

720721

weitere Artikel:
  • SPD-Vize Kühnert: Bei CDU haben nicht "alle den Knall gehört Berlin (ots) - Nach dem Rücktritt des mit Stimmen von CDU und AfD gewählten thüringischen Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich fordert SPD-Vize Kevin Kühnert weitere Konsequenzen, um eine Arbeitsgrundlage für die Fortsetzung der großen Koalition zu schaffen. "Der Druck der SPD hat dazu geführt, dass Kemmerich zurücktreten musste und dass der Prozess über die Wahl von Bodo Ramelow hin zu Neuwahlen jetzt eingeleitet wird", sagte Kühnert dem "Tagesspiegel". Es brauche jetzt zusätzlich noch "echte Klärungsprozess in der CDU", über das mehr...

  • Tschentscher lehnt mehr Bildungskompetenzen des Bundes strikt ab Düsseldorf (ots) - Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) hat es strikt abgelehnt, dem Bund mehr Rechte bei der Bildungspolitik einzuräumen. Auf die Frage, ob er bereit sei, für eine Angleichung der Bildungsstandards in Deutschland mehr Kompetenzen abzugeben, sagte Tschentscher der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Montag): "Nein. Bildung ist Ländersache, und das muss auch so bleiben." Dass dies Aufgabe der Länder ist, stehe schon so im Grundgesetz. "Wir wollen in bestimmten Punkten keinen Flickenteppich und müssen uns mehr...

  • 11,6 Milliarden Ein-Cent-Münzen in Deutschland im Umlauf Düsseldorf (ots) - Ende 2019 waren in Deutschland rund 11,6 Milliarden Ein-Cent-Münzen und rund 9,3 Milliarden Zwei-Cent-Münzen im Umlauf. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine schriftliche Frage des FDP-Abgeordneten Frank Schäffler hervor, die der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Montag) vorliegt. Die Bundesregierung beruft sich darin auf eine aktuelle Auskunft der Deutschen Bundesbank. Aus der Antwort wird zudem deutlich, dass die Bundesregierung nicht sicher ist, ob die EU-Kommission die kleinen Euro-Münzen tatsächlich mehr...

  • Chefs der NRW-Grünen fordern Ende der Gleichsetzung von AfD und Linkspartei Düsseldorf (ots) - Die NRW-Landesvorsitzenden der Grünen, Mona Neubaur und Felix Banaszak, fordern ein Ende der Gleichsetzung von AfD und Linkspartei. "Die AfD vertritt eine Ideologie, die die Gleichheit der Menschen verneint. Für sie sind Menschen nicht gleich an Würde und Rechten", schreiben die Politiker in einem Gastbeitrag für die Düsseldorfer "Rheinische Post" (Montag). Die AfD sei völkisch-nationalistisch und radikalisiere sich immer weiter. Neubaur und Banaszak halten nach eigener Aussage die "Hufeisen-Theorie" für falsch, die mehr...

  • Tschentscher: FDP in Hamburg kann wegen Thüringen an Fünf-Prozent-Hürde scheitern Düsseldorf (ots) - Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) erwartet durch die Entwicklungen in Thüringen negative Folgen für FDP und CDU bei der Bürgerschaftswahl In Hamburg. "Das kann dazu beitragen, dass die FDP an der Fünf-Prozent-Hürde scheitert und die CDU ihr schlechtes Ergebnis der letzten Wahl noch einmal unterbietet", sagte Tschentscher der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Montag). Bei der letzten Wahl 2015 waren die Liberalen auf 7,4 und die CDU auf 15,9 Prozent der Stimmen gekommen. Für die große Koalition in mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht