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LVZ: Leipziger Volkszeitung zu SPD-Parteitag

Geschrieben am 28-10-2007

Leipzig (ots) - In der Dramaturgie der Emotionen gab es zum
Schluss noch einen Generalangriff. Hans-Jochen Vogel, der große alte
Mann der SPD, wärmte mit einer umjubelten Rede das Herz der
Delegierten. Sie erhoben sich geschlossen. Ein Bild mit
Symbolcharakter für einen Parteitag, der entgegen der Hoffnung von
SPD-Chef Kurt Beck nicht als historisch, wohl aber als Zäsur in die
Bücher und politischen Jahresrückblicke eingehen wird. Nicht
allein wegen des gestern verabschiedeten neuen Grundsatzprogramms. 
Hamburg hat vor allem gezeigt, dass der von vielen Beobachtern als
politisches Auslaufmodell karikierte Vorsitzende mehr erreicht hat
als im Vorfeld für möglich gehalten wurde. Beck versuchte sich beim
Parteitag als Seelenklempner der Sozialdemokraten, er konnte damit
seiner Partei das lange vermisste Gemeinschaftsgefühl wieder
einimpfen. Selbst Agenda-Rebell Franz Müntefering wurde von der
sozialdemokratischen Nestwärme eingefangen.
Hamburg, das war die Operation am offenen Herzen der SPD. Der Patient
lebt, er kommt nach Umfrage-Infarkten, Linkspartei-Vergiftung und
inhaltlicher Austrocknung langsam wieder von der Intensivstation. Es
hätte auch schiefgehen können. Doch als der Parteitag zu kippen
drohte, als die Stimmung immer aggressiver gegen den von der
Parteispitze vorgelegten Antrag zur Privatisierung der Bahn wurde,
rettete der Parteichef persönlich die Situation.
Becks Intervention war ein Knackpunkt. Damit ersparte der Pfälzer
erstens Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee eine erstklassige
persönliche Blamage. Denn dies wäre die Ablehnung des Antrags
unweigerlich für den Leipziger Ex-OBM geworden. So kam er nochmal mit
einem blauen Auge davon. Und zweitens bewies Beck, dass er autoritär
sein kann, wenn es notwendig ist. Von wegen Kumpel Kurt. Da setzt
einer bei Bedarf auch seine Macht diktatorisch ein.
Der Bahn-Kompromiss mit der Festlegung auf das Volksaktien-Modell
dokumentiert allerdings auch das Dilemma der SPD. Der Parteitag wurde
so zwar gerettet, der Koalitionspartner dagegen verprellt. Auch das
ist ein Signal aus Hamburg. Die Partei ist im Zweifelsfall wichtiger
als Regierungsarbeit. Willkommen im Wahlkampf, die SPD hat den
Auftakt gemacht.
Die Privatisierung der Bahn ist in dieser Legislatur vom Tisch und
damit eines der wichtigsten Koalitionsvorhaben. Mit der umständlichen
Formulierung, falls die Union nicht dem Volksaktien-Modell zustimmt,
müssen sich die Parteigremien und im Zweifelsfall ein neuer Parteitag
damit befassen, wurde das Signal auf Rot gestellt. Mehr Blockade von
Seiten der SPD geht nicht. Für Verstand spricht das kaum, zumal auch
neue Baustellen die Arbeit mit dem Koalitionspartner erschweren
werden. Die völlig überraschend gestellte Forderung nach einem
Tempolimit 130 auf Autobahnen ist dabei nicht einmal das Problem. Da
gibt es auch in der Union Befürworter. Der sich dennoch aufbauende
Streit um die "Autobahn-Agenda 130" überdeckt, dass die SPD sich
anschickt, mit der Verlängerung des ALG I für Ältere ihre Agenda 2010
zu schleifen. Zurück in die Zukunft - das ist leider die falsche
Antwort auf die Herausforderungen der nächsten Jahre.

Originaltext: Leipziger Volkszeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/6351
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_6351.rss2

Pressekontakt:
Leipziger Volkszeitung
Redaktion

Telefon: 0341/218 11558


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