Aachener Zeitung: "Noch nicht einmal am Anfang des Kompromisses" GDL-Bundesvorsitzender Manfred Schell im AZ-Interview: Niemand glaubt,dass 31 Prozent mehr Einkommen zu erreichen sind. Kein Streik um
Geschrieben am 11-11-2007 |
Aachen (ots) - Aachen. Er ist wohl der zurzeit meistgenannte und meistzitierte Aachener, hat selbst Ulla Schmidt - zumindest vorübergehend - überholt. Manfred Schell, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer, der GDL, Präsident der Autonomen Lokomotivführer-Gewerkschaft Europas, ehemaliger CDU-Bundestagsabgeordneter, Kämpfer für die Rechte des fahrenden Bahnpersonals, oder doch ein Sturkopf? Mit ihm sprach unser Redakteur Peter Sellung. Herr Schell, es hat den Anschein, als würden die Stiere Schell und Mehdorn die Hörner nach vorne richten und mit großem Anlauf immer wieder aufeinander zu rennen . . .Schell: Nein, so ist das nicht. Es treffen einfach zwei starke Charaktere aufeinander. Und wenn die unterschiedliche Positionen vertreten, wie das bei Bahnchef Hartmut Mehdorn und mir der Fall ist, bekommt man schnell das Bild zweier Sturköpfe. Sind Sie stur?Schell: Nein, überhaupt nicht. Solche Auseinandersetzungen enden immer im Kompromiss. Das wird auch bei diesen Verhandlungen so sein. Aber noch sind wir ja nicht einmal an einem Anfang. Deshalb ist der Weg zum Kompromiss auch noch nicht begonnen. Bisher können Sie auf einiges Verständnis in der Bevölkerung setzen . . .Schell: Ja, die Menschen haben Verständnis dafür, dass ein Lokführergehalt von 1970 Euro am Anfang und 2142 Euro am Ende des Berufslebens - brutto wohlgemerkt - zu wenig ist. Weniger Verständnis haben die Bahnkunden, die durch den Streik zu spät oder gar nicht an ihrem Ziel ankommen. Mit weniger Verständnis dürften Sie auch für den zu erwartenden volkswirtschaftlichen Schaden durch Ihre Streiks rechnen. Ist der überhaupt gerechtfertigt?Schell: Gerechtfertigt in keinem Fall. Deshalb muss alles getan werden, ihn zu verhindern. Und das wichtigste dafür ist ein echtes Angebot der Bahn. Was bisher gekommen ist, waren alles Scheinangebote: Schon geleistete Mehrarbeit soll im nachhinein bezahlt werden. Das kann nicht die Lösung sein. Und der Vertrag zwischen Bahn und der Gewerkschaft Transnet, dass kein anderer Tarifvertrag abgeschlossen werden darf, ist ein Vertrag gegen Dritte, nämlich gegen uns. Da kommt die Bahn schwer raus. Wie nah geht das alles dem Menschen, nicht dem Gewerkschafter Manfred Schell?Schell: Das ist eine Situation, wo man - wenn man sich einmal dazu entschlossen hat - alles geben muss. Ich halte diese Forderungen auch persönlich schlicht und ergreifend für gerechtfertigt. Welchen persönlichen Nutzen haben Sie bei einem Erfolg?Schell: Gar keinen! Außer der Frage, ob ich mir kurz vor dem Ruhestand noch ein Denkmal setzen möchte. Da kommen Sie meiner Frage zuvor . . .Schell: (lächelt) Das dachte ich mir. Aber, was Denkmäler angeht, halte ich es mit meinem Parteifreund Helmut Kohl. Der hat einmal gesagt, wenn ein Denkmal eingeweiht ist, und die Ehrengäste sind abgezogen, kommt als erster Besucher eine Taube, die einem auf den Kopf macht, und als zweiter ein Hund, der einem an den Sockel pinkelt. Was soll man also mit einem Denkmal!? Zumindest für große Schlagzeilen haben Sie gesorgt. Nicht zuletzt durch Ihre Kur mitten im Arbeitskampf.Schell: Wissen Sie, ich hatte den ersten Termin schon am 6. Juli, den habe ich abgesagt. Fünf Wochen später gab es einen zweiten, den habe ich auch abgesagt, aber gefragt, wann ich denn nach dem Sommer antreten könnte. Als es hieß, am 16. Oktober, habe ich gesagt: Buchen, dann ist der ganze Käse beendet. Das hat sich nicht bewahrheitet. Darüber ist viel gesprochen und auch polemisiert worden. Hat Sie das verletzt?Schell: Nein, ich verstehe das sogar. Außerdem muss man wissen, was geschieht, wenn man insbesondere einer bestimmten Zeitung mit kurzem Titel ein Interview gibt. Aber es hat in den drei Wochen keine einzige Verhandlung gegeben, wo ich hätte sein müssen. Und bei dem Gerichtstermin in Chemnitz, der uns letztlich das Streikrecht für alle Bereiche gebracht hat, war ich anwesend. Sie wirken sehr gelassen.Schell: Das bin ich auch. Ich war durch Claus Wesselsky gut vertreten. Er wird vom Vorstand im Mai auch deshalb zum neuen Bundesvorsitzenden vorgeschlagen. Sie gehen im Mai in den Ruhestand. Haben Ihre Mitglieder dann 31 Prozent mehr Einkommen?Schell: Niemand glaubt, dass das zu erreichen ist. Wie gesagt, es gibt in solchen Fragen immer einen Kompromiss. Bleiben Sie denn als Ruheständler in Frankfurt?Schell: Das diskutieren meine Frau und ich ständig, und alle drei Monate schlägt der Zeiger zwischen Frankfurt und Aachen hin und her. Aber die Tendenz ist derzeit stark in Richtung Aachen. Denn hier wohnen unsere Tochter und unser Schwiegersohn, und die haben uns gerade zum ersten Mal zu Großeltern gemacht. Sind Sie froh, in den Ruhestand zu gehen und damit im wahrsten Sinn auch wieder mehr Ruhe zu haben?Schell: Wie gesagt, ich sehe das alles sehr gelassen. Ich bin viel zu lange politisch tätig, um das, was diskutiert wird, persönlich an mich heranzulassen. Es ist eine harte Auseinandersetzung, aber ich bin zufrieden, weil es eine hohe Identifikation damit gibt. Also vielleicht doch ein bisschen stur?Schell: Nein. Ich bin viel mehr rheinische Frohnatur als Sturkopf. Herr Schell, Hand aufs Herz: Streiken Sie ab morgen?Schell: Das weiß ich nicht. Wir werden das jetzt Anfang der Woche entscheiden. Wir wollen ja nicht um jeden Preis streiken. Kommt ein diskutierbares Angebot, gibt es keinen Arbeitskampf mehr.
Originaltext: Aachener Zeitung Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/61649 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_61649.rss2
Pressekontakt: Aachener Zeitung Redaktion Wolfgang von Wilpert Telefon: +49 (0241) 5101-418 w.vwilpert@zeitungsverlag-aachen.de
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