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WAZ: Müntefering legt Ämter nieder Rückzug mit erhobenem Haupt - Leitartikel von Lutz Heuken

Geschrieben am 13-11-2007

Essen (ots) - Franz Müntefering hört auf. Als
Bundesarbeitsminister, als Vizekanzler. Dass der Sozialdemokrat für
seinen Rücktritt "rein familiäre Gründe" angibt, rettet zunächst die
rot-schwarze Koalition. Denn hätte der Merkel-Stellvertreter
politische Gründe genannt, die Brocken hinzuwerfen, die Große
Koalition wäre wohl nicht zu retten gewesen. Welcher SPDler hätte die
Arbeit des Mannes glaubwürdig fortsetzen sollen, der zuletzt bis zur
Selbstverleugnung zur umstrittenen Agenda 2010 stand, um die
Koalition nicht zu gefährden?

Müntefering hat sich einen würdigen Abgang verschafft. Er klebte
nicht an seinem Posten, den er eher in Pflichterfüllung denn mit Lust
an der Macht ausübte. Der knorrige und knurrige Sauerländer musste
zuletzt bittere Niederlagen hinnehmen. Zunächst hatte Kurt Beck einen
parteiinternen Coup gegen ihn gelandet, indem er Kernstücke der
Agenda 2010 infrage stellte, für die Müntefering eisern und gegen
Widerstände in der eigenen Partei gekämpft hatte. Und in der letzten
Nacht fühlte sich Müntefering tief ge- und enttäuscht von
Bundeskanzlerin Merkel, die ihn - offenbar trotz fester Zusage - in
der Frage der Postmindestlöhne im Regen stehen ließ. Dass der
67-Jährige nun erhobenen Hauptes zurücktritt, wird ihm an der
Parteibasis hoch angerechnet. Dass er sich künftig noch mehr um seine
kranke Frau kümmern will, bewegt die Menschen jenseits aller
Parteipolitik. Man wird in der SPD auch in Jahren noch von Franz
Müntefering als einem "anständigen Kerl" sprechen. Wer die Partei und
den Sauerländer kennt, weiß, was das beiden bedeutet.

Nun also Olaf Scholz? Er gehört ebenfalls dem pragmatischen
Reformerflügel der SPD an, hat aber längst nicht das politische
Kampfgewicht eines Münte. Auch seine Ernennung ist ein klares Signal,
die Koalition fortzuführen. Hätte die Partei - wie gestern morgen
spekuliert - die Linke Andrea Nahles ins Kabinett geschickt, es wäre
eine Kampfansage an die Union gewesen.

Für Beck kam die Müntefering-Nachfolge ohnehin nicht infrage.
Seit dem Parteitag weiß der Pfälzer, dass er durch Opposition zur
eigenen Regierung punkten kann. Das aber kann er nur, wenn er nicht
in die Kabinettsdisziplin eingebunden ist. Beck will den nächsten
Wahlkampf führen. Mit Müntefering verlässt zwar ein Widersacher die
Bühne, mit dem neuen Vizekanzler Steinmeier erwächst ihm allerdings
ein neuer Rivale. Für die SPD jedenfalls ist der Müntefering-Abgang
ein herber Verlust. Die Partei verliert eine Persönlichkeit. Und eine
Type.

Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/55903
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_55903.rss2

Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de


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