Westdeutsche Zeitung: Halbzeit Rüttgers = von Friedrich Roeingh
Geschrieben am 14-11-2007 |
Düsseldorf (ots) - Selbtszufriedenheit ist der verlässlichste Feind des Erfolges. Die nordrhein-westfälische Landeregierung ist auf dem besten Weg, diese Weisheit zu missachten. Ministerpräsident Jürgen Rüttgers kann nach der ersten Hälfte seiner Regierungszeit eine beeindruckende Leistungsbilanz ziehen. Der Wahlsieg von Schwarz-Gelb über Rot-Grün vor zweieinhalb Jahren in NRW hatte nicht nur das Ende der Regierung Schröder eingeläutet. Seither hat das bürgerliche Lager tatsächlich eine Zeitenwende in Nordrhein-Westfalen eingeleitet. Der Ausstieg aus der Steinkohleförderung ist endlich besiegelt, das Land stellt mehr Geld für Bildung bereit, Schulen und Universitäten haben deutlich mehr Freiheiten bekommen, die Integration von Ausländern wird mit einer Bringschuld verknüpft und der bundesweit beispiellose Behördendschungel in Nordrhein-Westfalen wird tatsächlich etwas gelichtet. Die Eckpunkte der Koalitionsvereinbarung sind schon fast alle in der ersten Halbzeit abgearbeitet. Umso enttäuschender ist, wie unambitioniert die Landesregierung die kommenden zweieinhalb Jahre angeht. In Landtag wirkte Jürgen Rüttgers eher wie ein Soziologieprofessor, der die Alterung der Gesellschaft, die Voraussetzungen für lebenswerte Städte und die Herausforderungen der Globalisierung für den Einzelnen beleuchtete. Von konkreten Zielen und greifbarer Politikdagegen keine Spur. Nachdem sich die Landesregierung von vielerlei Widerständen nicht beirren ließ, scheint sie nun der Mut zu verlassen. Für eine reine Wohlfühl- und Symbolpolitik ist es zweieinhalb Jahre vor dem nächsten Wahlgang aber entschieden zu früh. Der Stolz über das Erreichte vernebelt zugleich den Blick auf die Fallgruben. Die Sturheit, mit der Rüttgers etwa an der ausgezehrten Hauptschule festhält und mit der er sich einem verlängerten gemeinsamen Unterricht in den Klassen 5 und 6 verweigert, kann dieser Regierung noch gefährlich werden. In der unausgewogenen Regionalpolitik liegt eine zweite Gefahr. Die Regierung hätschelt verbal die vielfältigen Regionen im Land, um dann doch wieder an allen Ecken und Enden das Ruhrgebiet zu päppeln. Mit seiner Regierungserklärung hätte Rüttgers keinen deutlicheren Beweis für diese Doppelzüngigkeit liefern können.
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