Wiesbadener Kurier: Kommentar zur Lage der Koalition
Geschrieben am 14-11-2007 |
Wiesbaden (ots) - Vom Ende der Großen Koalition sprachen Kommentatoren nach der Rückzugsankündigung von Arbeits- und Sozialminister Müntefering, man wisse nur noch nicht, wie lange es auf sich warten lassen werde. Eine sibyllinische Wertung, die zu wenig konkret, zu wenig greifbar daherkommt. Zwar steht es mit dem schwarz-roten Bündnis tatsächlich nicht zum Besten, das ist aber nicht neu und bisher kein Grund zu ernster Sorge um den Bestand der Koalition gewesen. Gleichwohl markiert der gestrige Frontalangriff aus den Reihen der SPD auf Bundeskanzlerin Merkel und ihren "Wortbruch³ beim Mindestlohn so etwas wie eine Zäsur. Nicht einfach nur beleidigte Schuldzuweisung für den Rücktritt Münteferings, eher Startpunkt einer Art frühen Wahlkampfs mit Blick auf den Urnengang von 2009. Die SPD leidet darunter, dass sie von den ja durchaus vorhandenen, wenn auch begrenzten Reformerfolgen der Regierung nicht profitiert. Die Umfrageergebnisse sehen die Partei weiter im Keller. Da die stromlinienförmige Anpassung in der eng gewordenen politischen Mitte keine Punkte bei den Wählern bringt, muss ein erkennbar eigenes Profil her. Der Parteivorsitzende Beck hat dieses Signal mit der Debatte um die längere Zahlung des Arbeitslosengelds I gegeben. Generalsekretär Heil hieb gestern in die selbe "soziale³ Kerbe. Schließlich haben die meisten der abtrünnig gewordenen Wähler und Mitglieder der SPD vor allem wegen eines gefühlten Gerechtigkeitsdefizits den Rücken gekehrt. Die wahre Konkurrenz für die Genossen stellt deshalb nicht die Union dar, sondern die Linkspartei. Ihr müssen Beck & Co. Stimmen abjagen. Nur mit hemdsärmeliger Rhetorik ohne erhebliche inhaltliche Korrekturen wird das aber nicht gelingen. In jedem Fall aber braucht die SPD dafür Zeit. Und die Union hat wegen unklarer Koalitionsaussichten kein Interesse an einer vorgezogenen Neuwahl. Das Bündnis wird also halten und sich durchwursteln ¬ mit mal von Schwarz, mal von Rot gebremstem Reformeifer. Sie ist ¬ nicht ganz frei von Ironie ¬ quasi alternativlos. Bis 2009 und allen Unkenrufen zum Trotz.
Originaltext: Wiesbadener Kurier Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/64428 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_64428.rss2
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