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Westdeutsche Zeitung: Biosprit = Von Christoph Lumme

Geschrieben am 14-01-2008

Düsseldorf (ots) - Wenn die große Mehrheit der deutschen Autos ab
2009 mit sündhaft teurem Super Plus zwangsbetankt wird, haben nicht
nur die Bundesbürger ein Problem. Auch Sigmar Gabriel dürfte in
diesem Fall eines haben. Der sozialdemokratische Bundesumweltminister
wird dann wohl kaum dazu in der Lage sein, schlüssig zu erklären,
warum Autofahrer ab sofort acht Cent mehr für den Liter Benzin
bezahlen müssen. Und die Aussage, die Industrie habe ihm am "Runden
Tisch Biokraftstoffe" die Zahl von 33 Millionen betroffenen
Fahrzeugen verschwiegen, dürfte ihm dabei wenig helfen.
Kein Wunder, dass der Argwohn wächst: Haben die Hersteller den
Umweltminister gar über den Tisch gezogen, da es durchaus in ihrem
Sinne ist, viele Autofahrer durch den Spritpreis-Horror an der
Zapfsäule zum Kauf neuer Fahrzeuge zu zwingen?
Alles deutet für Gabriel auf einen Image-Gau mit verheerenden
Konsequenzen hin. Dabei hatte es im vergangenen Sommer so ausgesehen,
als sei der Biosprit-Pakt zwischen Politik, Mineralölwirtschaft und
Fahrzeugindustrie eine klassische Win-Win-Situation: Die
Biosprit-Hersteller jubilierten über die Aussicht auf eine sprunghaft
steigende Nachfrage, die Autohersteller angesichts des zu erwartenden
Geschäfts mit Neuwagen - und Sigmar Gabriel, weil dieser sich als
Retter des Klimas inszenieren konnte.
Tatsächlich wird sich der Umweltminister aber nun wohl auf
Massenproteste einstellen müssen. Der Zwang zur teuersten
Kraftstoffsorte ist nicht nur zutiefst unsozial, weil er diejenigen
trifft, die es sich nicht leisten können, alle zwei Jahre neue Autos
zu ordern. Er ist auch umweltpolitisch umstritten, weil Bioethanol
zwar sinnvoller Bestandteil im Energiemix ist, aber nicht zur Rettung
des Weltklimas taugt. So geht sein Vorteil gegenüber Mineralöl
verloren, wenn der Anbau der Rohstoffe die Klimabilanz trübt. Zudem
belasten Dünge- und Pflanzenschutzmittel die Böden, und in
Entwicklungsländern vertreiben Regierungen Menschen von ihren Äckern,
um dort die lukrative Biomasse anzubauen.
Für Gabriel gilt: Einmal mehr hat in der Politik Aktionismus über
Weitsicht gesiegt, Image-Sucht über Vernunft, Industrienähe über
soziale Sensibilität. Einmal mehr freut das die Wirtschaft, und
einmal mehr zahlen die Bürger die Zeche.

Originaltext: Westdeutsche Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/62556
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_62556.rss2

Pressekontakt:
Westdeutsche Zeitung
Nachrichtenredaktion
Telefon: 0211/ 8382-2358
redaktion.nachrichten@westdeutsche-zeitung.de


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