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Westdeutsche Zeitung: Bsirske = von Friedrich Roeingh

Geschrieben am 03-08-2008

Düsseldorf (ots) - Müssen Gewerkschaftsführer bessere Menschen
sein? Nein. Erstens, weil Menschen, die der Summe unserer Erwartungen
in jedem Einzelfall entsprechen könnten, eine Utopie sind. Und
zweitens, weil Gewerkschaftsvertreter knallharte Interessenpolitik
vertreten müssen. Sie können dabei genauso übers Ziel hinausschießen
wie Unternehmensvorstände, die im Auftrag der Anteilseigner die
Kapitalrendite nach oben schrauben.
Diese Vorbemerkung zum Fall Bsirske ändert freilich nichts daran,
dass der Verdi-Chef mit seinem Erste-Klasse-Freiflug in die Südsee
eine Riesendummheit begangen hat, die ihn das kostet, was ein
Arbeiterführer vor allem braucht: persönliche Glaubwürdigkeit. Daran
ändern auch die Relativierungen nichts, mit denen sein Umfeld die
Affäre zur Boulevard-Klamotte herabstufen möchte: dass nicht
einzusehen sei, wenn die Gewerkschafts-Mitglieder in Aufsichtsräten
geringere Privilegien in Anspruch nähmen als ihre Kollegen von der
Gesellschafter-Seite. Dass Bsirske die Reise schon geplant habe, als
der Verdi-Streik bei der Lufthansa noch nicht terminiert gewesen sei.
Oder dass Bsirske die Freiflüge als geldwerten Vorteil versteuere -
was letztlich signalisieren soll, dass er nicht weniger für seinen 20
000 Euro teuren Südsee-Trip zahlt, als wir das in der Holzklasse tun
würden.
Letztlich weiß Bsirske aber längst am besten, dass ihm seine
Instinktlosigkeit erster Klasse nachhängen wird. Weil er nicht anders
als der von Verdi so verhasste ehemalige Lokführer-Chef Schell
abgetaucht ist, als die Gewerkschaft ihre Mitglieder zum Streik
gerufen hat. Und weil es schlicht frivol ist, sich nicht mit der
hochkomfortablen Business-Klasse zu begnügen. Lufthansa hatte die
First Class nur eingeführt, um an der wachsenden Zahl arabischer,
russischer und auch europäischer Magnaten besser verdienen zu können.
Die Häme konservativer und liberaler Politiker, die jede Vorlage aus
dem Gewerkschaftslager genüsslich verwandeln, wird schnell abebben.
Die Verdi-Mitglieder aber werden sich Bsirskes Ausfall spätestens
dann in Erinnerung rufen, wenn es der Pilotenvereinigung Cockpit und
der Unabhängigen Flugbegleiter-Organisation Ufo gelingen sollte,
höhere Tarifabschlüsse bei der Lufthansa durchzusetzen, als Verdi
jetzt erreichen konnte.

Originaltext: Westdeutsche Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/62556
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Pressekontakt:
Westdeutsche Zeitung
Nachrichtenredaktion
Telefon: 0211/ 8382-2358
redaktion.nachrichten@westdeutsche-zeitung.de


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