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Südwest Presse: LEITARTIKEL · LANDESREGIERUNG Mehr als Sommertheater

Geschrieben am 04-08-2008

Ulm (ots) - Man könnte es Sommertheater auf schwäbisch nennen.
Aber es ist mehr. Im dritten Koalitionsjahr unter Ministerpräsident
Günther Oettinger beharken sich im Land CDU und FDP (unter besonderer
Mitwirkung ihrer Vormänner Mappus und Noll), wie es sich die
schwachbrüstige Opposition nicht inniger wünschen könnte. Mit
geradezu selbstzerstörerischem Eifer stecken heftig Gruben grabende
Koalitionäre jeweils den eigenen, wirklichen oder auch nur
vermeintlichen Geländegewinn ab. Damit nicht genug. Auch
untereinander sind sich die Christdemokraten immer öfter nicht mehr
grün.
"Fanatische Eiferer" ruft CDU-Generalsekretär Thomas Strobl (durchaus
mit guten Argumenten in der Hinterhand) jenen zu, die nach dem
Karlsruher Raucher-Urteil jetzt den Nichtraucherschutz zu hundert
Prozent auf jedwede Gaststätte ausdehnen wollen. Pikant ist die rüde
Wortwahl. Denn bewusst nimmt Oettingers Ausputzer dabei in Kauf,
vornan die eigene ungeliebte Sozialministerin Monika Stolz zu
beschädigen. Das liberale Outcoming des oft genug stramm konservativ
auftretenden Generals mag durch das wieder einmal ungeschickte
Agieren der Ministerin befördert worden sein: Entnervt hatte sich
Stolz, nachdem die Richter ihr Gesetz kassiert hatten, gleichzeitig
wieder für eine bundesweite Lösung des doch von den Ländern zu
regelnden Problems ausgesprochen. Da kam sicher Freude auf beim
immerhin formal derzeit obersten Vorkämpfer für einen starken
Föderalismus, dem Vorsitzenden der Föderalismus-Kommission Günther
Oettinger.
Wenn jetzt die CDU-Sozialausschüsse, die Junge Union und nicht
zuletzt die hartleibige Mappus-Gefolgschaft in der Fraktion
zurückkeilen, dann soll sich vordergründig der Koalitionspartner FDP
getroffen fühlen. Was der in diesem Fall freilich locker aushält.
Zwar hat er etwas spät erkannt, dass zu viele Verbote sich mit
gebotener Liberalität nicht vertragen. Doch der wachsende Rückenwind
für diese Position in der Gesellschaft beflügelt. Weil der Riss in
der Sache aber auch quer durch die CDU geht, ist der
Kollateralschaden, den die parteiinterne Kritik anrichtet, doch
größer als es dem Landesvorsitzenden Oettinger gerade noch recht sein
kann.
Womit wir beim eigentlichen Problem sind: Oettinger, der ein nicht
unsympathisches, aber unter machtpolitischen Gesichtspunkten eher
gebrochenes Verhältnis zu seiner Führungsrolle hat, lässt die Zügel
zu sehr schleifen. Damit soll nicht einer Basta-Politik das Wort
geredet werden, die unterschiedliche Meinungen per se solange
deckelt, bis der Dampf den Kessel explodieren lässt. Es hat ja gerade
in einer Koalition auch etwas für sich, Pro und Contra ausführlich
debattieren zu lassen, weil sich so entweder ein alle mehr oder
minder befriedigender Konsens findet oder die letztlich unterlegene
Seite sich zumindest ausreichend ernstgenommen fühlen darf.
Das sture Durchziehen einer oft einsam entschiedenen Position, wie es
Vorgänger Erwin Teufel eigen war, ist dem liberaleren Oettinger
ohnehin fremd. Anders als Teufel, der nie verwunden hat, nie die
absolute Mehrheit geholt zu haben, weiß der von den eigenen
Konservativen bedrängte Oettinger liberale Schützenhilfe durchaus zu
schätzen.
Die überlauten Dissonanzen im Stuttgarter Regierungsbündnis sind
freilich nicht mehr nur Ausdruck einer munteren Diskussionskultur,
sondern eben auch eines geduldeten Machtvakuums. Wenn es dem
Ministerpräsidenten nicht gelingt, auch in vermeintlich nachrangigen
Fragen - vom Rauchverbot bis zur Heroinfreigabe - das Heft des
Handelns wieder in die Hand zu bekommen, dann stellt sich, mehr als
ihm zuträglich sein kann, die Frage nach seiner Autorität.

Originaltext: Südwest Presse
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/59110
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_59110.rss2

Pressekontakt:
Südwest Presse
Lothar Tolks
Telefon: 0731/156218


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