Westdeutsche Zeitung: Tarifverhandlungen der Metall- und Elektroindustrie = von Martin Vogler
Geschrieben am 12-11-2008 |
Düsseldorf (ots) - Nach nur 22 Stunden war man sich bei der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg einig. Das passierte rekordverdächtig schnell, angesichts der ritualisierten Macht- und Taktikspiele, wie man sie sonst von Tarifverhandlungen kennt. Die rasche Lösung ist erfreulich, weil die Gefahr eines Streiks gebannt ist. Der hätte angesichts der trüben Konjunkturaussichten fatal in die wirtschaftliche Landschaft gepasst. Beachtlich ist, dass sich die Gewerkschaft so schnell und so deutlich von ihrer Acht-Prozent-Forderung verabschiedet hat. Das zeugt von Vernunft. Andererseits hätten Streiks vor allem in der Automobilindustrie kaum Druck aufgebaut. Im Gegenteil. Unternehmen, deren Produktion nicht ausgelastet ist, erschrecken ob solcher Drohungen wenig. Im Extremfall hätte die Streikunterstützung eben nur das Kurzarbeitergeld ersetzt. Neben dem vermiedenen Streik besticht der gute Kompromiss dadurch, dass beide Parteien und auch die Konjunktur profitieren können. Die Arbeitgeber sehen nämlich einer vertretbaren langfristigen Mehrbelastung von 4,2 Prozent entgegen. Die Hälfte davon kann zudem bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten noch ein paar Monate hinausgeschoben werden. Die Arbeitnehmer hingegen freuen sich erstmal dank Einmalzahlungen über schnelles Geld. Und wenn 3,6 Millionen Metaller ein außerplanmäßiges "Weihnachtsgeld" von über 500 Euro bekommen, werden viele damit einkaufen gehen. Was der Wirtschaftsentwicklung hilft. Zwar greift die Einigung von Sindelfingen natürlich noch nicht bundesweit. Aber sie ist so gestrickt, dass niemand ihre Vorreiterrolle für ganz Deutschland in Frage stellt. Die Signalwirkung wird sogar noch viel weiter reichen, weil sie bereits für die gesamte Tarifrunde 2009 Grenzen absteckt. Forderungen nach zehn Prozent Lohnerhöhung, wie sie noch am Dienstag Bahn-Gewerkschaften erhoben, wirken somit absurd. Das einzige Fragezeichen könnte es in der Automobilindustrie geben, die ja Krisenhilfen des Staates verlangt. Würde der Wunsch erfüllt, käme es zu einer indirekten staatlichen Finanzierung der Lohnsteigerungen. Das fänden viele absurd. Aber es wäre ein verschmerzbarer Schönheitsfehler der Einigung.
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