WAZ: Zu den heutigen Beschlüssen - Die Große Koalition und ihre Konjunktur - Leitartikel von Ulrich Reitz
Geschrieben am 11-01-2009 |
Essen (ots) - Alles in allem ist das Bündel, das die Große Koalition heute schnüren wird, vernünftig. Mehr Geld für marode Schulen und löchrige Straßen, niedrige Steuern vor allem für Menschen, die weniger verdienen, niedrigere Krankenkassenbeiträge - das wird der gerade einbrechenden Wirtschaft helfen. Und niemand, nicht einmal Sarkozy, wird der Bundesregierung nachsagen können, sie habe gekleckert. Wenn die Wirtschaft um zwei Prozent zurückgeht und der Staat mit einem Programm von umgerechnet eineinhalb Prozent des Bruttoinlands-Produkts dagegen hält, dann ist das krisengerecht angemessen.
Allerdings zahlen wir alle dafür einen hohen Preis. Peer Steinbrück wird wohl nicht mehr als Haushaltssanierer in die Geschichte eingehen. Und der Kanzlerin wird niemand mehr nachsagen können, sie agiere - privat vor Staat - in Zweifel liberal. Die große Krise hat nicht nur die Große Koalition zusammenrücken lassen, sondern auch die beiden Parteien, die sie tragen. Die Unterschiede zwischen Union und SPD bewegen sich fast nur noch im Symbolischen.
Den weitesten Weg hat dabei die Union zurückgelegt. Der Deutschlandfonds, das gigantischste Staatsprogramm aller Zeiten zur Stützung der Realwirtschaft, ist immerhin eine Erfindung der CDU, nicht der SPD. Es ist fast schon ironisch, dass sich die SPD gegen derart viel Staatseinfluss sogar noch wehrt. Wobei dieser Zug spätestens mit dem Einstieg des deutschen Staates bei der Commerzbank abgefahren sein dürfte.
Tatsächlich ist die Union inzwischen kaum noch eine konservative, so gut wie gar keine liberale Partei mehr. Die Union ist, teils aus eigenem Entschluss (von der Leyens Familienpolitik), teils unter dem Druck der ökonomischen wie der politischen Verhältnisse, zu einer Sozialdemokratie anderer Art geworden. Eine Entwicklung, die eine Ursache auch in der derzeitigen SPD hat. Steinmeier, Steinbrück und Müntefering halten sie, von symbolpolitischen Signalen wie der höheren Reichensteuer abgesehen, in der linksliberalen Mitte. Als Regierung kommt die SPD staatstragend daher, was Münteferings Lockerungsübungen Richtung Links-Partei in den Schatten rückt. Diese Konstellation fällt jedenfalls Merkel auf die Butterseite. Solange enttäuschte Konservative wie Liberale der Union treu bleiben, profitieren CDU/CSU. Das hat Merkel mit Schröder gemein: Ihr dürfte weitaus mehr an einer Großen Koalition gelegen sein als an einer kleinen. Schröder haben die Wähler 1998 zu einer kleinen Koalition verurteilt. Das kann Merkel 2009 allerdings auch passieren.
Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/55903 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_55903.rss2
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