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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Integrationsdebatte

Geschrieben am 10-02-2009

Bielefeld (ots) - Als es das Wort Migrationshintergrund noch nicht
gab, da waren Ausländerkinder einfach Ausländerkinder, und meine
Freunde hießen Melih, Alpay und Nihat. Beim Kindergeburtstag mit den
drei türkischen Jungs achtete ich darauf, dass auf den Hamburgern
wirklich nur Rindfleisch war. Und von eins bis zehn zählen konnte ich
auf Türkisch etwa zur gleichen Zeit wie auf Englisch.
Geblieben ist von dieser Freundschaft nur die Erinnerung. Der Kontakt
brach schon während der weiteren Schullaufbahn ab. Überhaupt wurde
die Zahl der Türkischstämmigen in meinem Lebensumfeld immer geringer,
an der Hochschule sowieso, aber selbst im Sportverein.
Warum? In der Rückschau fallen mir da Situationen ein, denen ich
damals nur wenig Bedeutung beigemessen habe. Momente voller Zweifel.
Der Bekannten-Zweifel, ob der deutsche Junge die richtigen
Spielkameraden hat. Der Lehrer-Zweifel, ob man dem Ausländerkind eine
Empfehlung fürs Gymnasium geben kann. Der Zweifel der türkischen
Eltern, ob das Kind seinen Weg machen wird und ob es überhaupt
wichtig ist, sich zu den Bedingungen dieser deutschen Gesellschaft
anzustrengen.
Mehr als 25 Jahre später sind diese Zweifel nicht ausgeräumt. Die
Gruppe der etwa 1,7 Millionen türkischen Staatsbürger in Deutschland
und etwa 700 000 Deutschen türkischer Herkunft hat sich auseinander
entwickelt. Die einen leben in ihrer Parallelgesellschaft mit
türkischem Fernsehen, Zeitungen und Wertvorstellungen weiter weg von
uns, als es damals der Fall war. Die anderen haben sich die deutsche
Gesellschaft als die ihre gewählt. Türkischstämmige Arbeitgeber
beschäftigten schon vor dem letzten Aufschwung etwa eine
Viertelmillion Menschen, ein Drittel davon Deutsche. Was es also
nicht mehr gibt, ist der typische »Türke in Deutschland«.
Dafür hat eine deutsche Partei seit einiger Zeit einen Vorsitzenden
mit Vornamen Cem, und im Kader der deutschen
Fußballnationalmannschaft für das Länderspiel gegen Norwegen stehen
ein Serdar und ein Mesut.
Egal, ob Herr Özdemir die Grünen zum Erfolg führen wird, ob die
Herren Tasci und Özil wirklich so begnadete Kicker sind: Deutsche und
Türken beschäftigen sich fernab von Integrationsstudien mit ihrem
Verhältnis. Und das in großer Bandbreite: Auf deutscher Seite halten
viele Cem Özdemirs Forderung nach einem Kabinettsmitglied mit
türkischen Wurzeln für ähnlich sensationell wie einen schwarzen
US-Präsidenten. Auf türkischer Seite wird der Gelsenkirchener Junge
Mesut Özil von einigen als Verräter beschimpft, weil er es wagte,
sich für die Mannschaft des Landes zu entscheiden, in dem seine
Familie in dritter Generation heimisch ist.
So verschieden diese Reaktionen zu sein scheinen: Haben nicht beide
Seiten einfach nur auf ihre Art noch Zweifel daran, dass Deutsche mit
Migrationshintergrund richtige Deutsche sein können? Darüber sollten
wir mal kurz nachdenken! Vor dem Länderspiel gibt es eine gute
Gelegenheit: während der Nationalhymne unseres Einwanderungslandes.

Originaltext: Westfalen-Blatt
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/66306
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_66306.rss2

Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


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