Berliner Morgenpost: Enteignung einer Bank ist nicht gleich Sozialismus - Kommentar
Geschrieben am 20-03-2009 |
Berlin (ots) - Gestern sei ein Tag der Unfreiheit gewesen, sei das Tor zum Sozialismus weiter aufgestoßen worden. Welch ein Unsinn, den der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Rainer Brüderle im Bundestag während der abschließenden Debatte über das "Finanzmarktstabilisierungsergänzungsgesetz" behauptete. Ein wahres Wortungetüm - mit der Fähigkeit, allzu viele Geister zu verwirren. Mit dem von der großen Koalition auf den Weg gebrachten Gesetz soll die Grundlage für die Rettung des Münchner Staats- und Immobilienfinanzierers Hypo Real Estate (HRE) geschaffen werden. Weil es als letztes Mittel mit Enteignung droht, sieht nicht allein Brüderles FDP rot. Nach einer Forsa-Umfrage fürchten selbst drei Viertel der Unionswähler, die CDU unter Führung der Kanzlerin und Parteivorsitzenden Angela Merkel könnte zu einer "Partei der Verstaatlichung" werden. Die globale Finanzkrise, die Gegenreaktionen der Regierungen in Berlin und anderswo wie die bis zu Ängsten gesteigerten Sorgen der Menschen um die ökonomische Zukunft lösen immer neue, erstaunliche Reaktionen aus. Mit rund 90 Milliarden Euro hat der Bund bislang die an ihrer eigenen Maßlosigkeit gescheiterte HRE künstlich am Leben gehalten. Anderenfalls wäre die Bank längst bankrott, ihre Anteilseigner hätten nach den Spielregeln der Marktwirtschaft alles Geld verloren. Nur weil sie als "systemrelevant" deklariert worden ist, soll ihr dieses Schicksal erspart bleiben und der Staat, der Not gehorchend, wohl noch weitere Milliarden in das Institut pumpen. Also Steuergelder, die doch wohl kaum zum Vorteil der Anteilseigner eingesetzt werden dürfen. Der Staat ist gegenüber den Steuer zahlenden Bürgern also geradezu verpflichtet, angesichts der eingesetzten Summe Einfluss auf das weitere aktive Geschäft der HRE zu nehmen. Und das will er so behutsam wie möglich tun: Enteignung nur als allerletztes Mittel, alles befristet bis Ende Juni, Entschädigung zum Börsenkurs und Verpflichtung, das Institut nach einer Stabilisierung so schnell wie möglich wieder zu privatisieren. Ein "Tag der Unfreiheit", ein drohender Marsch in den Sozialismus? Wer einerseits wie die Marktliberalen in dieser Krise mit ihren ungeahnten Ausmaßen und Folgen nach der rettenden Tat des Staates ruft, andererseits alle Hilfen zum Nulltarif verlangt, der ist unredlich. Der verwechselt Ursache und Wirkung. Dem sei zudem ein Blick in unser Grundgesetz, Artikel 14 empfohlen. Der gewährleistet am Allgemeinwohl orientiertes Eigentum, erlaubt aber auch eine Enteignung "zum Wohle der Allgemeinheit". Die Bundesregierung bewegt sich mit ihrer als "Enteignungsgesetz" diffamierten Vorlage also auch verfassungsrechtlich auf solidem Grund. Das Finanzdesaster hat seinen Ursprung in Amerika. Banker in aller Welt haben es durch grenzenlose Selbstüberschätzung genährt. Weil der Markt versagt hat, bleiben die Regierungen als letzte Retter. Der Staat darf deshalb nicht zum Unternehmer werden. Er kann es noch weniger gut. Aber in einer Marktwirtschaft, in einer mit dem Zusatz "sozial" allemal, hat er den Ordnungsrahmen anzupassen, wenn der alte missbraucht wurde und deshalb versagt hat. Das gilt auch für die Hypo Real Estate.
Originaltext: Berliner Morgenpost Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2
Pressekontakt: Berliner Morgenpost Chef vom Dienst Telefon: 030/2591-73650 bmcvd@axelspringer.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
193116
weitere Artikel:
- Weser-Kurier: Blutrache vermutlich Motiv im Schwaneweder Mordfall / Zeuge: Tatverdächtige boten 60 000 Euro für Auftragskiller / Bremer Behörden schoben Belastungszeugen ab Bremen (ots) - Blutrache gilt als mögliches Motiv im Schwaneweder Mordfall: Nach Informationen des Bremer WESER-KURIER (Sonnabend-Ausgabe) ist der am Donnerstag in Bremen festgenommene 47 Jahre alte Cemal E. der Vater des 18-Jährigen, der am Karfreitag 2006 bei einer Messerstecherei in der Bremer Kneipe "Born-Eck" starb. Wegen dieser Messerstecherei war das Mordopfer von Schwanewede, der 43-jährige Hussein E., im Oktober 2007 zu fünf Jahren und drei Monaten Haft verurteilt worden. Als ihn die tödlichen Schüsse trafen, hatte er Freigang. mehr...
- Ostthüringer Zeitung: Abschied vom Casino Kommentar zur Finanzkrise Gera (ots) - Von Detlef Fechtner Europas Regierungschefs wollen dafür sorgen, dass sich die Finanzkrise nie wiederholt. Das ist ein guter Vorsatz. Aber es gibt erhebliche Zweifel, ob das Vorhaben gelingt. Und ob es die Regierungen überhaupt ernst meinen. Ist es denn nicht letztlich so, dass die Regierungen die Spielhöllen des Kapitalismus lediglich vorübergehend schließen, nachdem die Bank gesprengt wurde um die Kasinos wenig später in renovierter Form wieder zu eröffnen? Die Antwort lautet: Nein. Zumindest in der aktuellen Krise wäre mehr...
- Rheinische Post: Enteignung als Notlösung Düsseldorf (ots) - Von Martin Kessler Enteignung - das klingt wie das Drehbuch einer geglückten sozialistischen Revolution. Tatsächlich will die Bundesregierung jedoch den Kapitalismus retten, indem sie wichtige Funktionselemente wie den Pfandbriefmarkt vor dem Absturz ins Bodenlose bewahrt. Den könnte eine Pleite des Immobilienfinanzierers Hypo Real Estate auslösen, um den es beim neuen Gesetz vornehmlich geht. Zur Erinnerung: Über 900 Milliarden Euro haben Bürger mit dem Kauf von Pfandbriefen in die Finanzierung von Immobilien und mehr...
- Neue OZ: Kommentar zu EU / Gipfel / Finanzen Osnabrück (ots) - Mit kleiner Münze Angela Merkel hat sich auf dem Brüsseler EU-Treffen in den entscheidenden Punkten durchgesetzt. Was dieser Sieg wert ist, wird sich aber erst auf dem Weltfinanzgipfel Anfang April in London herausstellen. Denn die USA setzen - anders als die EU - auf gigantische Konjunkturspritzen, um die Wirtschaft anzukurbeln. Die US-Notenpresse läuft auf vollen Touren, während die Europäer ganz im Sinne Merkels lieber nur mit kleiner Münze zahlen. Das birgt reichlich Konfliktstoff. Umso wichtiger ist, sich mehr...
- Neue OZ: Kommentar zu USA / Iran / Obama Osnabrück (ots) - Ballast abgeworfen Mit der Offerte an den Iran hat Präsident Obama weiteren Ballast der Bush-Ära abgeworfen. Diese Konsequenz aus dem gescheiterten Konfrontationskurs des Vorgängers war überfällig. Denn der hatte das Teheraner Problem-Regime nicht etwa geschwächt, sondern gestärkt. Statt Ausgrenzung und bedrohlichen Geschwafels von neuem Weltkrieg und der "Achse des Bösen" nun also das Gesprächsangebot aus Washington. Nichts ist gefährlicher für die Teheraner Hardliner. Und nichts aussichtsreicher für den Versuch, mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|