Ostthüringer Zeitung: Kommentar zu Obama / Atomwaffen: Visionen
Geschrieben am 05-04-2009 |
Gera (ots) - Dem Altbundeskanzler Helmut Schmidt wird das Knurren zugeschrieben, wer Visionen habe, solle zum Arzt gehen. Das war vor Barack Obama. Der noch junge US-Präsident hat Visionen, zum Beispiel jene von einer Welt ohne Atomwaffen. Und dabei machte er in Prag einen so zuversichtlichen Eindruck, dass die jubelnde Menge im Hradschin für augenscheinlich keinen Moment einen anderen Satz in diesem Zusammenhang hinterfragte. Er sei nicht naiv, hatte Barack Obama gesagt, und da kann man nur anfügen: Na, das wollen wir doch auch hoffen. Naiv war vielleicht ein deutsches Fräuleinwunder mit 99 Luftballons oder manch Friedensbewegter auf Ostermärschen in der alten Bundesrepublik. Am festen Willen oder an Vorstellungskraft fehlte es ihnen nicht, aber an der Macht. Die hat ein US-Präsident zweifellos, was aber nicht heißt, dass irgendwie automatisch und schon morgen alle Atomwaffen aus der Welt verschwunden wären. Es kann dauern und selbst Obama, an dessen ernsthafter Absicht nicht zu zweifeln ist, hat sich eine Hintertür offen gelassen. Es könne sein, sagte er, dass er das Ende der Atomwaffen nicht mehr erlebe. Wohl wahr, denn ein US-Präsident ist nicht der einzige auf der Welt, der über Macht und über Atomwaffen verfügt. Frankreich zum Beispiel hat erst vor einigen Jahren Atomwaffen als Teil der Staatsdoktrin bestätigt. Was werden die Russen sagen und tun, und was die Chinesen? Die Liste der tatsächlichen oder heimlichen Atomstaaten ist lang. Der Durchbruch ist erst geschafft, wenn ein US-Präsident auch in Nordkorea so umjubelt wird, wie Obama in Prag.
Von Wolfgang Schütze
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