"Ich habe erfahren, wie verletzlich ich bin": Oskar Lafontaine und Wolfgang Schäuble sprechen im "stern" erstmals gemeinsam über ihre Schicksalsgemeinschaft als Attentatsopfer
Geschrieben am 07-04-2009 |
Hamburg (ots) - Bundesinnenminister Wolfgang Schäube (CDU) und der Chef der Linkspartei Oskar Lafontaine haben Skrupel, den jeweils anderen in der politischen Auseinandersetzung hart anzugreifen. In einem gemeinsamen Interview in der neuen, am Mittwoch erscheinenden Ausgabe des Hamburger Magazins "stern" bestätigten beide Politiker, dass sie seit den auf sie im Jahr 1990 verübten Attentaten mehr Rücksicht aufeinander nähmen, als im politischen Tagesgeschäft sonst üblich.
Lafontaine spricht von "Beißhemmung", die er gegenüber Schäuble habe, Schäuble seinerseits von einer "zusätzlichen Hemmschwelle". Lafontaine war im April 1990, damals noch als SPD-Kanzlerkandidat, auf einer Wahlkampfveranstaltung von einer geistig verwirrten Frau in den Hals gestochen worden. Schäuble wurde im Oktober des gleichen Jahres ebenfalls von einem geistig Verwirrten durch Schüsse derart schwer verletzt, dass er seither querschnittsgelähmt ist.
Lafontaine hatte den schwer verletzt im Krankenhaus liegenden Schäuble Ende November 1990, zwei Tage vor der Bundestagswahl, im Krankenhaus besucht, ohne dies öffentlich zu machen. Im stern-Interview bedankte sich Schäuble nun dafür: "Mir hat es gut getan. Wenn Sie mir mit dem Krankenhausbesuch helfen wollten, dann haben Sie den Zweck erfüllt." Lafontaine berichtete davon, wie er fast ein schlechtes Gewissen gehabt habe, weil er bei dem auf ihn verübten Attentat glimpflicher davongekommen sei als Schäuble.
Der Chef der Linkspartei räumte im stern zudem ein, auch heute noch durch das Attentat traumatisiert zu sein. "Ich habe dieses Trauma, dass ich plötzlich völlig aus der Bahn geworfen wurde", sagte Lafontaine. Wolfgang Schäuble sieht das für sich anders: "Ich bin nicht traumatisiert. Ich bin gelähmt." Beide Politiker berichteten davon, wie gravierend der Einschnitt in ihrem Leben war: "Ich habe erfahren, wie verletzlich ich in Wahrheit bin und war danach innerlich sehr viel unsicherer als zuvor", sagte Lafontaine. Und Schäuble erklärte: "Ich habe eine mir bis dahin völlig unbekannte Erfahrung gemacht: Von einer Sekunde auf die andere kann alles anders sein."
Originaltext: Gruner+Jahr, stern Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/6329 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_6329.rss2
Pressekontakt: Für Rückfragen: stern-Autor Axel Vornbäumen, Telefon: 030/20224-298.
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