Lausitzer Rundschau: Der Mythos Ungarn Zwischen gestern und heute - 20.Jahre nach Grenzöffnung
Geschrieben am 26-06-2009 |
Cottbus (ots) - Damals, als sie den Grenzzaun zur Republik Österreich abbauten, wussten die Ungarn sehr wohl, was sie auslösen würden. Sie waren bei ihrem Aufstand.1956 schon am radikalsten gewesen bei der Ablehnung der kommunistischen Herrschaft in Osteuropa. Und dann wollten sie sich in jenem turbulenten Sommer.1989 von niemandem überholen lassen. Die grenzenlose Freiheit war folgerichtig der Sargnagel des Sowjetimperiums. Und daraus entstand jener Mythos vom kleinen Volk der Magyaren und seinem großartigen Beitrag zur Geschichte Europas. Heute ist aus der Bewunderung vielfach das nackte Entsetzen geworden. An den Ufern der Donau reagierten die einstigen Freiheitskämpfer jetzt als wild gewordene Nationalisten mit rassistischen Ausfällen auf die weltweite Krise. Von den Kritikern Ungarns wird der wirtschaftliche Niedergang der extrem von der Exportwirtschaft abhängigen Nation zwar beschrieben, darf aber in ihren Augen keinesfalls entschuldigend herhalten für die aus ihrer Sicht unerträglichen, tatsächlich auch skandalösen Umtriebe. Wer sich allerdings die Mühe macht, die Geschichte des Landes und auch die Geschichte der Ungarn, die in großer Zahl außerhalb der Landesgrenzen leben, etwas besser verstehen zu wollen, wird feststellen, dass sie nicht taugt für die Abziehbilder, die die anderen gerne verwenden. Sie sind nicht die Helden und auch nicht die Schurken. Sie sind in besonderem Maße eines jener nicht so mächtigen Völker Europas, die es schwer haben, ihre Eigenständigkeit zu bewahren im Schatten der großen Nationen. Da gleichen sie den Niederländern oder Dänen, die derzeit nicht ganz so hart wirtschaftlich gebeutelt werden und doch kaum weniger mit einem neu entfachten Nationalismus reagieren. Die offenen Grenzen des neuen Europa haben einen ganz besonderen Preis für solche Völker. Die Ungarn wollten vor zwanzig Jahren, sie wollen auch heute vor allem dabei sein und respektiert werden. Und sie haben es sich nicht erst seit dem Sommer.1989 verdient, dass ihnen dabei entgegengekommen wird - nicht etwa aus Dankbarkeit, sondern weil damals wie heute der kleine Kontinent Europa keine Grenzen erträgt.
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