WAZ: Urteil zum Vertrag von Lissabon - Karlsruher Defensivgeist - Leitartikel von Knut Pries
Geschrieben am 30-06-2009 |
Essen (ots) - Neue EU-Verträge müssen nach Karlsruhe, und das ist gut so. Ob Maastricht, Amsterdam oder jetzt Lissabon - stets treten Beschwerdeführer auf den Plan und behaupten, nun werde das demokratische deutsche Staatswesen endgültig vom Moloch Brüssel verschluckt. Die Richter nehmen das sehr ernst, auch weil sie selbst zu diesem Staatswesen gehören. Und dann sagen sie: Fürchtet euch nicht, Deutschland ist in Europa gut aufgehoben, und im Falle eines Falles werden deutsche Grundrechte immer noch in Karlsruhe verteidigt.
So ist das Bundesverfassungsgericht, das zusammen mit dem Präsidenten die angesehenste Instanz der deutschen Politik darstellt, zum Legitimationsspender für die europäische Integration geworden: "Das Grundgesetz sagt Ja zum Lissabon-Vertrag." So viel Deutsch verstehen auch die Präsidenten Kaczynski in Polen und Klaus in Tschechien, die mit der Unterschrift unter die Ratifikationsurkunde zögern. Das verstehen auch die Iren, die im Oktober erneut zur Volksabstimmung schreiten.
Also: Nicht Lissabon ist verfassungswidrig, sondern der deutsche Gesetzgeber hat es sich mit Lissabon ein bisschen zu einfach gemacht. Das neue EU-Statut ermöglicht an einigen Stellen den Übergang zu mehr Entscheidungsbefugnis der europäischen Ebene. Solche Verschiebungen dürfen nach dem Spruch des Verfassungsgerichts nicht einfach im normalen Geschäftsgang einer Sitzung des Ministerrats erledigt werden, da müssen reguläre Gesetze her. Es ist kein Schaden, dass die Karlsruher die Berliner verdonnert haben, das Begleitgesetz nachzubessern. Eine stärkere Mitwirkung von Bundestag und Bundesrat entspricht der Absicht des Lissabon-Vertrags: Ein engeres Zusammenspiel zwischen nationalen Parlamenten und der EU ist eines seiner Prinzipien. So weit, so gut, rein rechtlich gesehen. Als politische Botschaft ist indes auch das Karlsruher Überprüfungsverfahren dem Defensivgeist verfallen, der gegenwärtig die deutsche Europapolitik durchweht. Die vorgetragenen Argumente stimmen, die vermittelten Gefühle nicht. Deutschland erscheint als Verteidigungsgemeinschaft, die alle Kräfte gegen die mächtigen EU-Absaugkräfte mobilisieren muss. Die Europäische Union als Mittel nationaler Selbstverwirklichung kommt nicht mehr vor. Die Botschaft lautet: Wenn wir gut aufpassen, macht Lissabon nichts kaputt. Sie müsste lauten: Lissabon hilft den Deutschen, eigene Interessen besser zu vertreten. Dafür, für eine offensive Legitimation, ist freilich die Politik eher zuständig als das Verfassungsgericht.
Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/55903 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_55903.rss2
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