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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Volksabstimmungen

Geschrieben am 23-09-2009

Bielefeld (ots) - Die Partei der Nichtwähler wächst. 13,8
Millionen Bürger haben bei der Bundestagswahl 2005 den Gang zur Urne
verweigert. Im internationalen Vergleich fällt die Wahlbeteiligung
noch hoch aus, aber ein Warnzeichen ist es dennoch. Die Politik
könnte dem Problem wachsender Enthaltung durch die Einführung der
Wahlpflicht wie in Belgien begegnen. Aber das wäre nur eine
Scheinlösung. Die Väter des Grundgesetzes lehnten eine Wahlpflicht
ab, weil sie mündige Bürger wünschten. Die Wahlenthaltung ließen sie
bewusst als Möglichkeit zu, Unzufriedenheit mit dem politischen
System auszudrücken.
Zweifellos gibt ein beträchtlicher Teil der Nichtwähler aus
Gleichgültigkeit, Bequemlichkeit oder Zufriedenheit mit den
Verhältnissen im weiterhin wohlhabenden Deutschland kein Votum ab,
aber die Parteien würden es sich zu einfach machen, wenn sie auf
diese »Drückeberger« zeigen.
Der Verein »Mehr Demokratie«, ein Zusammenschluss engagierter
Bürger, stellt bei Aktionen in Fußgängerzonen fest, dass sich die
Deutschen mehr direkte Demokratie wünschen. Sie wollen nicht nur
einmal wählen und dann vier Jahre lang zugucken. Zurecht fragen sie,
warum es auf kommunaler und Landesebene Bürgerentscheide gibt, nur
auf Bundesebene nicht. Wenn es um Europa, die Energieversorgung der
Zukunft und Militäreinsätze geht, wollen sie darüber abstimmen. Das
bedeutet keine Abschaffung der repräsentativen Demokratie, sondern
deren Ergänzung.
In der Tat ist es nicht nachzuvollziehen, warum der Bundespräsident,
der sich dezidiert als über den Parteien stehend begreift, nicht vom
Volk direkt gewählt wird. Natürlich würden sich dann die politischen
Gewichte in der Bundesrepublik verschieben, der Bundespräsident wäre
mehr als ein Händeschüttler. Dadurch würde Konkurrenz zwischen
Kanzler und Präsident eingebaut, sagt Ulrich Kober von der
Bertelsmann-Stiftung richtig. Aber wäre das so schlimm? Kanzler
müssen auf ihre Partei genauso viel Rücksicht nehmen wie auf ihre
Wähler - ein schwieriger Spagat. Ein vom Volk direkt gewählter
Präsident würde die Seite des Bürgers, des Souveräns, stärken.
Kritiker direkter Demokratie warnen vor dem unkalkulierbaren Volk,
vor wortgewaltigen Propagandisten, vor Abstimmungen, die Deutschland
in der Welt isolieren. Erfahrungen aus der Schweiz zeigen das
Gegenteil. Vor Volksabstimmungen befassen sich die Menschen intensiv
mit dem Für und Wider eines Themas. Mehr als 60 Jahre nach Hitler
muss das deutsche Volk nicht mehr vor sich geschützt werden.
Wenn es um direkte Demokratie geht, wirken die Parteien wie ein
Hemmschuh. Außer wohlfeilen Wahlappellen kommt von ihnen nichts.
Statt direkte Demokratie zu befördern, verhalten sie sich abwartend
oder ablehnend. Die Zweifel sind zu groß. Demokratie lebt vom
Mitmachen; je mehr Möglichkeiten dem Bürger offenstehen, desto
wahrscheinlicher ist es, dass das politische Interesse wächst und die
Zahl der Nichtwähler sinkt.

Originaltext: Westfalen-Blatt
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/66306
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_66306.rss2

Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


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