Westdeutsche Zeitung: Überhangmandate = von Alexander Marinos
Geschrieben am 23-09-2009 |
Düsseldorf (ots) - Sollte sich der Trend am Ende doch wieder als Genosse herausstellen? Die Parallelen sind verblüffend: Wie schon im September 2005 schmilzt der einst komfortable Vorsprung von Union und FDP wenige Tage vor der Bundestagswahl zusammen. Damals sagten die Institute trotzdem noch 50 bis 51 Prozent für Schwarz-Gelb voraus. Diesmal sieht es noch knapper aus. Man könnte also darauf wetten, dass es am Sonntag - wie vor vier Jahren - nicht für Schwarz-Gelb reichen wird, wenn da nicht die Sache mit den Überhangmandaten wäre. Diese sind nicht nur dazu geeignet, neben der "Finanzkrise" zum (Un-) Wort des Jahres 2009 zu werden. Sie könnten auch dazu führen, dass CDU/CSU und FDP eine Kanzlermehrheit im Bundestag erhalten, obwohl sie die absolute Zweitstimmen-Mehrheit klar verfehlen. Aber wenn es eine Partei gibt, die sich darüber nicht beschweren darf, dann ist es die SPD. Noch bevor die Wähler überhaupt entschieden haben, warnen führende Genossen vor einer "illegitimen Mehrheit" oder von einem "geklauten Wahlsieg". Das ist aus mehreren Gründen falsch. Erstens sind die Startbedingungen am Sonntag für alle Parteien gleich. Zu diesen Bedingungen gehört, dass Wahlkreis-Gewinner in jedem Fall in den Bundestag ziehen und daraus resultierende Überhangmandate keine Mandate zweiter Klasse sind. Wenn sich daraus eine Mehrheit ergibt, ist diese ebenso legal wie legitim. Zweitens sollten sich die Sozialdemokraten an die eigenen Nasen fassen. Bei den vergangenen drei Bundestagswahlen hat die SPD jeweils mehr Überhangmandate erzielt als die Union. Man kann sich nicht erinnern, dass sich Gerhard Schröder damals darüber beschwert hätte. Das dritte Argument lässt sich in eine Frage packen: Warum, bitteschön, hat die SPD die Überhangmandate nicht vor der Wahl mit Hilfe der Opposition abgeschafft, statt jetzt darüber zu klagen? Es hätte dafür eine klare Mehrheit im Bundestag gegeben. Tatsächlich haben sich die Sozialdemokraten nicht getraut, die Große Koalition kurz vor Schluss platzen zu lassen. Offenbar befürchteten sie, der parteipolitische Schaden könne größer sein als der Nutzen. Jetzt ist klar, dass sie wohl ziemlich daneben lagen. Am Sonntag wird abgerechnet. Dann zeigt sich, was der Genosse Trend noch wert ist.
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