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Berliner Morgenpost: Erika Steinbach hat ihre guten Gründe verspielt - Leitartikel

Geschrieben am 29-01-2010

Berlin (ots) - Seit mehr als einem Jahr tobt der Streit über die
Besetzung des Rats der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung. Im
Mittelpunkt: die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika
Steinbach. Erst lehnte die SPD in der großen Koalition die Berufung
der CDU-Politikerin in das Beratungsgremium für die Gedenkstätte ab,
die die Erinnerung an das Unrecht der Vertreibung von Millionen
Deutschen wachhalten soll, ohne dabei die Ursachen durch Hitlers
Krieg und Verbrechen zu verschweigen. Zweiter Schwerpunkt soll der
Versöhnungsgedanke insbesondere mit Polen sein und damit die
gemeinsame europäische Zukunft. In der schwarz-gelben Koalition
streiten CDU, CSU und FDP über die Causa Steinbach weiter, als sei
sie das zentrale innenpolitische Thema.
Jetzt verweigert sich die FDP. Wie vorher Außenminister Steinmeier
begründet Nachfolger Westerwelle das mit der scharfen Ablehnung der
Personalie in Polen. Doch je länger der Streit dauert, desto mehr
verkommt er zur Posse - und belastet das Ansehen der Koalition
schwer. Die Frage nach Angela Merkels Führungskraft wird immer lauter
gestellt. Längst sind die innenpolitischen Auswirkungen verheerender
als die Belastungen in den deutsch-polnischen Beziehungen.
Die auf der Klaviatur des Ränkespiels erfahrene Vertriebenen-Chefin
und CDU-Bundestagsabgeordnete hatte zunächst fast alle guten Gründe
auf ihrer Seite. Zusammen mit dem damaligen SPD-Vordenker Peter Glotz
hatte sie den Stiftungsgedanken auf den Weg gebracht - und natürlich
müsste sie als oberste Vertriebene im Stiftungsbeirat sitzen.
Deutsche Außenminister schließlich sollten die bis ins Hysterische
hoch geputschten Ablehnungsgründe gegenüber Frau Steinbach nicht
wichtiger nehmen als den Schutz einer Kollegin und Präsidentin eines
Verbandes, der die Phase rechtsradikaler Verdächtigungen längst
hinter sich gelassen hat.
Doch statt auf ihr gutes Recht zu pochen und eine Einigung der
Koalitionspartner über ihre Person abzuwarten, spielte Erika
Steinbach Anfang des Jahres die Einsichtige - und gab in Wirklichkeit
die Erpresserin. Nichts anderes ist ihr "Friedensangebot", auf einen
Beiratssitz zu verzichten, wenn dafür im Gegenzug mehr Mitglieder des
BdV in den Stiftungsrat einziehen und der Bund als Geldgeber künftig
sein Vetorecht aufgibt. Das ist keine "ausgestreckte Hand", wie
CSU-Chef Seehofer behauptet. Das ist die Hand an der Gurgel der
Regierung. Auch kein fairer Kompromiss, wie Niedersachsens
Ministerpräsident Wulff (CDU) erneut glauben machen will - und
deshalb von seiner Partei verlangt, Erika Steinbach nicht zu opfern.
Nein, sie ist nicht kompromissbereit. Sie erpresst.
Recht hat Wulff mit seiner Forderung, den Streit schnell zu beenden.
Erika Steinbach muss endlich begreifen, dass sie sich verzockt und
ihre Trümpfe leichtfertig verspielt hat. Sie zwingt Angela Merkel,
sie eiligst an den politischen Opferaltar zu führen. Die Kanzlerin
wie die Koalition insgesamt dürfen sich nicht erpressen lassen. Aber
wahrscheinlich gefällt sich Erika Steinbach sogar in der Rolle des
Opfers - obwohl sie in diesem unsäglichen Streit zur Täterin wurde.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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